Lehitraot und Ma’asalame.

Es ist soweit: Mein Jahr in Jerusalem ist zu Ende.
Noch sitze ich in meinem Zimmer, aber in einer Stunde fahren wir zum Flughafen.
Ich kann es noch gar nicht glauben. Ein großer Klotz sitzt in meinem Bauch, ich bin so aufgeregt wie genau vor einem Jahr.
Ein wenig Angst habe ich auch. Wie ist Deutschland denn überhaupt?!

Es war eine wunderbare Zeit hier und ich möchte sie mit allen Höhen und Tiefen nicht missen.
Ich bin unsagbar dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit hatte, hier ein Jahr zu verbringen.
An dieser Stelle ein herzliches Danke an alle meine Unterstützerinnen und Unterstützer!
L1000888Und ich danke auch meiner Mitbewohnerin und Mitfreiwilligen Nika.
Es war so schön mit dir und ich fand es so toll, dass wir immer alles teilen konnten, ob gute oder schlechte Dinge.

Dieser Eintrag ist der letzte, den ich auf Jerusalemer Boden schreibe.
Ich lasse euch in ein paar Wochen auch wissen, wie es mir dann in Deutschland erging.

Herzliche Grüße aus Jerusalem

eure Hanna

Weinendes und lachendes Auge

Wenn man für längere Zeit in Israel/Palästina lebt, wird es empfohlen, sich auf einer Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes einzutragen. Damit man in Fällen wie beispielsweise dem Gaza-Krieg über Sicherheitsbedingungen informiert werden kann.
Nachdem ich in den letzten Wochen nur aufgrund dessen E-Mails der Botschaft erhalten habe, schrieb mir gestern das Auswärtige Amt eine etwas andere E-Mail.

„(…) die von Ihnen angegebene Aufenthaltsdauer im Gastland wird in 15 Tagen erreicht sein. Bitte aktualisieren Sie ggf. Ihren Aufenthaltzeitraum.“

Nun, leider kann ich nichts aktualisieren. Denn in genau 14 Tagen bin ich schon auf dem Weg nach Deutschland.
Es ist ein komisches Gefühl und erinnert mich oft daran, wie es war, bevor ich aus Deutschland ausgereist bin vor einem Jahr: Sich verabschieden, manche Dinge oder Orte zum letzten Mal machen und sehen.
Nur dass ich jetzt weiß, so schnell werde ich nicht mehr zurückkehren.

Etwas Melancholie schwingt also schon mit, wenn ich mich von Tag zu Tag von „meinem“ Jerusalem verabschiede. Meine erste Stadt, die ich alleine – ohne Familie – entdeckt, erlebt und lieben gelernt habe.
Was werde ich vermissen?
Mit Sicherheit die Lebensweise: die Gelassenheit und Offenheit der Menschen, die Spontanität, das Essen, die Varianten an Kulturen und Religionen, und und und.
Und doch freue ich mich auch wieder auf Deutschland. Auf ein friedliches Land, ohne Konflikt und ohne Krieg. Durch die vergangen Wochen wurde besonders das zu einer täglichen Belastung für mich.
Und obwohl ich mich hier immer frei gefühlt habe, bedeutet Deutschland eine andere Art von Freiheit für mich.
Anzuziehen, was ich möchte (insbesondere kurze Hosen), zu sagen, was ich möchte, nicht immer auf die Sprache zu achten, meine Religion wieder Privatsache sein zu lassen.

Doch für all diese Erfahrungen bin ich unglaublich dankbar: Gewisse Dinge schätzen zu lernen, die mir gegeben sind und die für andere Menschen nicht selbstverständlich sind.

Vielen Dank für Eure und Ihre Unterstützung!
Herzliche Grüße aus Jerusalem
Hanna

 

 

Ein Tag wie jeder andere, nur eben doch nicht so ganz.

Ich liege auf meinem Bett und lese. Es ist kurz vor 18 Uhr.
Heute ist Donnerstag. Ich habe gearbeitet bis 16 Uhr, wie jeden Donnerstag. Eine Schülergruppe aus Deutschland war da. Wir haben sie durch die Kirche geführt, von unserem Leben hier erzählt und ihre Fragen beantwortet. Inzwischen ist es heiß geworden, richtig angenehm ist es nur morgens und vormittags. Ich bin müde. Die letzten Nächte habe ich weder viel noch gut geschlafen. Eigentlich will ich das Buch weglegen um ein bisschen zu schlafen.

Aus einmal höre ich eine Sirene. Es ist der Raketenalarm, zum zweiten Mal. Am Dienstagabend habe ich ihn zum ersten Mal gehört.
Ich kenne das Geräusch also schon und begebe mich in die Küche. Das ist in unserer Wohnung der sicherste Platz.
Meine Mitbewohnerin Nika kommt mir schon aus ihrem Zimmer entgegen. Aufgeregt schauen wir uns an. Wir sagen nichts. Ich fange an abzuspülen, was soll ich auch sonst tun?! Wir warten, nach etwa einer halben Minuten hört die Sirene auf. Wir horchen. Nacheinander streckt Nika 5 Finger in die Luft. Wir zählen die Detonationen und spüren dabei ein wenig die Druckwelle der eingeschlagenen oder abgewehrten Raketen.

Die aktuelle Situation ist angespannt und kompliziert. Die Hamas aus dem Gaza-Streifen schießt mit Raketen auf Israel, Israel antwortet mit Bombardierungen auf Gaza. Derzeit zieht Israel auch Bodentruppen an der Grenze zu Gaza zusammen. Was genau passieren wird, ist annähernd unmöglich zu sagen. Man sieht Beiträge und Bilder in den Medien. Obwohl Gaza nur 70km von Jerusalem entfernt, kommt es einem unglaublich weit weg vor. Bis man dann selbst den Alarm hört und damit daran erinnert wird, was in diesem Land gerade vorgeht.
Seit ungefähr einem Monat ist hier nichts so wie es davor war. Militäraktion im Westjordanland, Ausschreitungen in Ostjerusalem und nun Terror in und um Gaza.

Mit den Ausschreitungen in Jerusalem änderte sich mein Leben hier von einer Sekunde auf die anderen. Ich musste mich lernen einzuschränken. Dass nach 21 Uhr rauszugehen vielleicht keine so gute Idee sei und dass man auch vor 22 Uhr besser zu Hause sein sollte.
Auch in unserem Viertel A-Tur kam es zu Straßenschlachten. An der Kreuzung bei unserem Gelände, wo ich oft einkaufen gehe, wo ich die Leute inzwischen kenne und wo ich fast jeden Tag bin, schoben Palästinenser einen Müllcontainer auf die Straße um dahinter Schutz zu suchen. Es war Nacht, ich stand etwa 150m davon entfernt. Mit Schals maskierte Jugendliche schmissen Steine. Sie attackierten eine der Siedlungen auf dem Ölberg.Die israelischen Soldaten und Polizisten konnten wir nicht sehen. Auf einmal flog etwas kleines Schwarzes und explodierte in der Menge: Eine Sound Granate.

Solche Bilder bleiben mir natürlich im Kopf. Aber wie Falafel, Religion und Wüste gehören sie hier eben auch zum Leben dazu.

Jetzt hat sich die Situation geändert. Mit dem Beginn des Terrors um Gaza hörten allmählich auch die Ausschreitungen in Ostjerusalem auf.
Freunde und Familie, die von der Situation in den Medien mitbekommen, schreiben besorgt und fragen nach meinem Wohlergehen. Es wird noch mehr als sonst über Politik gesprochen. Die Sicherheitslage beschäftigt jede/n. Fragen über Fragen, auf die niemand recht eine Antwort weiß: Sollen wir zurück nach Deutschland fliegen? Ist man in Jerusalem jetzt sicher oder nicht? Wenn es eine Bodenoffensive der Israelis in Gaza gibt, wie werden die Palästinenser hier reagieren?
Ruhig schlafen kann man bei diesen Gedanken schlecht.

Aber trotzdem kann ich Euch beruhigen: Mir geht es gut. Wie oben bereits beschrieben, geht hier mein Alltag auch ganz normal weiter. Ich fühle mich nicht bedroht. Noch habe ich und andere Volontäre nicht vor, auszureisen, sondern erstmal hier zu bleiben und abzuwarten.
Dennoch ist diese Situation natürlich psychisch belastend. Das Leid, das in Gaza herrscht: Keine Warnsirenen, keine Schutzbunker, keine Medikamente, kein sauberes Wasser. Das lässt auch Resignation und Hoffnungslosigkeit bei uns zurück.

Ich wünsche diesem Land Frieden. Von ganzem Herzen.

Eure Hanna

HaTachana Haba’a

Diese zwei Wörter waren wahrscheinlich mit die ersten, die ich auf Hebräisch konnte, weil man sie einfach immer und überall hört, wenn man unterwegs ist: „Die nächste Haltestelle ist …“.
Heute schreibe ich über das Reisen. Angesichts der Tatsache, dass ich fast schon 10 Monate hier bin, etwas spät, aber ich wurde durch meinen letzten Urlaub dazu angeregt.

Zu ein paar Zeilen zur aktuellen politischen Lage, weiter runter scrollen.

Jerusalem
Da Jerusalem quasi eine geteilte Stadt ist – Westjerusalem: israelisch, Ostjerusalem: palästinensisch, Altstadt: in Religionen aufgeteilt – ist hier auf das Unterwegssein anders als sonst. Es ist sehr viel laufintensiver, da eben nicht überall Busse oder die Straßenbahn fährt – v.a. natürlich in der Altstadt. Die Bussysteme sind geteilt, es gibt ein israelisches, welches ich auch nach 10 Monaten immer noch total verwirrend finde und keinerlei System darin erkennen kann, und ein palästinensisches, was grob gesagt in grüne (in den Norden verkehrende) und in blaue (in den Süden verkehrende) Busse aufgeteilt ist.
Am Anfang braucht man natürlich erstmal Zeit sich zu orientieren, wo welche Busse abfahren und welche zu welchem System gehören. Beim Palästinensischen gibt es zwar Buslinien mit verschiedenen Nummern, aber keine genauen Haltestellen und nur ungefähre Routen. Wenn man einen Bus sieht und mitfahren möchte, streckt man einfach den Zeigefinger auf die Straße und hofft, dass er nicht allzu voll ist.
Beim israelischen Bussystem in Jerusalem gibt es immerhin Haltestellen, aber auch hier gibt es manchmal keine Fahrpläne an den Haltestellen. Da ist sehr selten mit den israelischen Bus fahre – und wenn dann immer nur mit dem gleichen – finde ich mich hier nicht sonderlich zurecht. Da hilft dann einfach nur fragen.
Das Einzigartige in Jerusalem ist jedoch die Straßenbahn. Sie fährt auf der ungefähren Trennlinie zwischen West- und Ostjerusalem und wird daher teilweise auch von den Palästinensern oder arabischen Israelis benutzt. Die Straßenbahn ist äußerst praktisch und auch wenn sie total nervige Töne von sich gibt und die einheimische Bevölkerung sich hier immer noch nicht mit den Fahrkartenautomaten angefreundet hat, fahre ich sehr gerne Straßenbahn.

Palästina
In der Westbank herumzureisen ist viel weniger kompliziert als man es sich am Anfang vorstellt. Es gibt zwar Busse, die von Jerusalem in die anliegenden Städte, wie Bethlehem oder Ramllah, fahren, jedoch keine offiziellen innerhalb der Westbank. Dafür gibt es sog. Service-Taxi (sprich: Serwies). Das sind orangefarbene (ja, sie sind tatsächlich orange!) Kleinbusse, die einen immer und überall hinbringen können. Und wenn man erstmal nach längerem Rumfragen den Service-Bahnhof gefunden hat, erscheint es einem unmöglich irgendwo nicht hinzukommen.
Dann geht das Geschreie los. „Ramallah!“ „Bethlehem!“ „Nablus!“ „Ariha!“ (= Jericho). Wir wollen nach Hebron. „Al-Halil?“ frage ich die Palästinenser, die bei ihren Bussen stehen. So findet man dann irgendwann sein richtiges Service. Die Fahrtkosten sind sehr gering, für eine fast einstündige Fahrt zahlt man nur 8 Schekel, umgerechnet etwa 1,70€.

Der Service-Bahnhof in Bethlehem.

Der Service-Bahnhof in Bethlehem.

Ansonsten findet man sich hier auch immer sehr gut mit Taxis zurecht, die es einem auch möglich machen, an die etwas entlegereren Orte zu gelangen und meistens auch direkt bis vor die Haustür. Auch die Taxis sind – wie vieles in der Westbank – billiger als in Israel.

Israel
Da Israel etwas größer ist als Palästina gibt es hier auch ein etwas größeres System. Fernbusse der Firma Egged ist hier das große Stichwort. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich schon in so einem drin saß. Unzählige Male, egal wohin man fährt. Ans Tote Meer, nach Tel Aviv, nach Haifa, nach Eilat. In jede mehr oder weniger große Stadt fährt oft mehrmals am Tag ein Bus. Hier sind die Busbahnhöfe allerdinge etwas komplizierter als in Palästina, vor allem der neue Busbahnhof in Tel Aviv! Obwohl ich jetzt schon unzählige Male dort war, finde ich trotzdem nicht auf Anhieb den Ausgang oder den Ort, wo der Bus wieder nach Jerusalem abfährt.
In so einem Fernbus lässt sich wunderbar die israelische Kultur kennenlernen. Denn der Staat Israel besteht aus allen vorstellbaren Kulturen und Nationalitäten.
Obwohl natürlich die gängige Sprache Neu-Hebräisch (Ivrit) ist, hört man trotzdem oft noch andere Sprachen. Dann trifft man hier besonders oft Soldaten und Soldatinnen, die entweder zu ihrem Stützpunkt fahren oder von dort zum Wochenende nach Hause. Es ist also nicht ungewöhnliches ein Maschinengewehr bei jeder Kurve in den Oberschenkel zu bekommen. Alles ganz normal. Außerdem kann man hier verschiedene Religiöse und Nicht-Religiöse betrachten.

Eine Fahrt im Egged-Bus sieht also so aus: Vor dir sitzen zwei Mädchen, die sich kichernd was auf ihren Smartphones zeigen. Neben dir sitzt ein Soldat mit Gewehr auf dem Schoß, der langsam einnickt. Hinter dir sitzt ein ultraorthodoxer Jude, der Texte aus einem Gebetsbuch murmelnd, sich seine Schläfenlocken dreht. Fünf Reihen vor dir schließt eine junge Frau ihr Handy per Kabel an den USB-Anschluss über ihr an (ja, in manchen Bussen gibt es sowas). Und eine Reihe neben dir unterhalten sich zwei amerikanische Jüdinnen über das Wetter.

Ein Egged-Bus. Quelle: Wikipedia

Ein Egged-Bus. Quelle: Wikipedia

Was ich in meinem letzten Urlaub jetzt auch ausprobiert habe, ist Zug fahren. Ich war total aus dem Häuschen als ich nach über 9 Monaten das erste Mal wieder in einen Zug gestiegen bin. Es gibt hier sogar die roten Doppelstockzüge, die in Deutschland unter dem Namen „InterRegioExpress“ bekannt sind.
Empfehlenswert ist die Strecke Tel Aviv – Akko, da man hier an der Mittelmeerküste entlang fährt.

Also ihr seht schon, in Deutschland ist es sehr viel einfacher von A nach B zu kommen. Wochen im Vorraus kann man bei der Deutschen Bahn nach Zügen schauen und sich dort auch schon Tickets kaufen.
Man lernt es wirklich zu schätzen, vor allem weil Fernbusse auf Dauer auch einfach unbequem werden.

Zur aktuellen politischen Situation:
Zuallererst: Mir geht es gut. Egal, was ihr lest oder in der Tagesschau seht, um mich müsst ihr euch keine Sorgen machen.
Nachdem am Montag die drei israelischen Jugendlichen, die Mitte Juni entführt wurden, tot aufgefunden wurden, verschärft sich die Situation jetzt erneut. Bereits vorher gab es eine große Militäraktion in den palästinensischen Gebieten, bei der über 400 Palästinenser verhaftet wurden, mehrere getötet und unzählige Häuser durchsucht wurden. Heute Morgen wurde ein palästinensischer Junge in einem Wald bei Jerusalem tot aufgefunden. Es wird vermutet, dass er von rechtradikalen Israelis entführt und umgebracht worden sei. Dazu kommt, dass bei den muslimischen Palästinensern jetzt der Fastenmonat Ramadan angefangen hat und die Palästinenser allein dadurch schon gereizter sind.
Außerdem fliegen aus dem Gazastreifen immer wieder Bomben nach Israel und das israelische Militär reagiert ebenfalls darauf mit Bombardierungen.
Ich lese das in den deutschen, israelischen und internationalen Medien und weiß dann gar nicht, was ich denken soll. Ich unterhalte mich mit Deutschen, die hier als EntwicklungshelferInnen oder Diplomaten arbeiten und jede/r schätzt die Lage anders ein. Wie sich die Situation entwickeln wird, ist äußers schwer zu sagen. Ich hoffe natürlich, dass sie sich nicht weiter verschlimmert, sondern deeskaliert.
Ich bin – jedenfalls noch nicht – von keinerlei Ereignissen betroffen. Hier auf dem Ölberg ist die Lage ruhig.
Wenn man von einer derartigen Kollektivbestrafung der palästinensischen Bevölkerung liest und hört, fällt es mir schwer, neutral zu bleiben. Das macht das Leben hier sehr anstrengend. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht von dem Konflikt betroffen bin, an ihn denke oder über ihn spreche. Man muss sich selbst eine gewisse Schutzmauer aufbauen, um nicht zu sehr mitzufühlen und um sich von gewissen Ereignissen zu distanzieren.
Immer wieder stelle ich mir die Frage: Warum durfte ich als Deutsche geboren werden und habe damit so viele Privilegien?

Damit herzliche Grüße aus Jerusalem,

Hanna

Erst in drei Jahren wieder

fällt das Osterdatum der Westkirche mit dem Osterdatum der Ostkirche zusammen – so wie dieses Jahr.
Und weil Ostern in Jerusalem noch aufregender war als Weihnachten in Bethlehem schreibe ich heute über Palmwedel, Straßensperrungen und Ostereier.

Alles fing an mit dem Palmsonntag. Bereits Tage vorher wurde in der Altstadt schon mit echten Palmzweigen dekoriert.
Aber trotzdem wird der Sonntag in diesem Land als ganz normaler Wochentag begannen. Alle Geschäfte sind geöffnet und alle gehen arbeiten. Ist natürlich ungewohnt für uns Deutsche, aber auch schön, weil man mehr Möglichkeiten hat, seinen Sonntag zu gestalten.
Ostern ist hier außerdem Zeit der Prozessionen und so war die katholische Palmsonntagsprozession meine erste.

Die Bilder sind von Nils B.

Am Gründonnerstag haben meine Mitvolontärin Nika und ich erstmal über 200 Eier für den Gottesdienst am Ostersonntag gekocht und gefärbt und dabei eine echt bunte Mischung fabriziert.
DSC_3163 DSC_3161

Am Nachmittag besuchte ich dann einen internationalen Gottesdienst in der Erlöserkirche. Jedes Mal finde ich es absolut interessant einen Gottesdienst auf Englisch, Arabisch, Deutsch und verschiende skandinavische Sprachen zu erleben.
Anschließend prozessierten wir (ja, auch die Evangelischen machen hier mal eine Prozession!) zur Maria Magdalena Kirche im Garten Gethsemane am Ölberg, wo man sich nicht nur an das letzte Abendmahl und Jesus im Garten Gethsemane erinnern konnte sondern außerdem einen wunderschönen Blick bis zum Felsendom genießen konnte.
Seit Ostern bin ich auch sehr stolz auf dem Ölberg zu wohnen, weil mir erst jetzt bewusst wurde, wie wichtig dieser Teil der Stadt für die Bibel ist und wie oft er darin vorkommt.

IMG_6382 IMG_6378

Am Karfreitag musste ich nicht arbeiten und konnte so die Stimmung in der Stadt wahrnehmen.
Morgens wollte ich zur Erlöserkirche. Seit Weihnachten singe ich im Chor mit, welcher auch am Karfreitagsgottesdienst gesungen hat. Die Chorprobe fing schon eine Stunde vor dem Gottesdienst an und ich rechnete – wie immer – eine halbe Stunde von mir bis zur Kirche ein. Normalerweise kommt man damit nie zu spät.
Aber nicht an Ostern!
Es fing schon damit an, dass sich am Damaskustor hunderte Menschen drängten. Ultraorthodoxe neben orthodoxen Christen neben säkularen Touristen und muslimischen Verkäufern. Die Altstadt war im absoluten Chaos. Dazu kamen auch noch Straßensperrungen, die die israelische Armee vornahm, sodass – wenn man sich nicht auskannte – eigentlich nur die Via Dolorosa begehbar war.
Zum Glück kannte ich ein paar Abkürzungen und fand meinen Weg mit 20minütiger Verspätung zur Kirche.

Der Gottesdienst war sehr schön. Leider konnten wenig Menschen daran teilnehmen, weil man den Eingang der Kirche durch die Menschenmassen kaum erreichen konnten.
Alle zwanzig Sekunden läuteten (oder er klepperten) die Glocken der Grabes- und Auferstehungskirche.
Um 15.00 Uhr gab es außerdem eine Andacht zur Todesstunde Jesu.

Der Ostersonntag begann sehr früh. Genau genommen klingelte mein Wecker um 3.30 Uhr, da unser Frühgottesdienst bereits um 5 Uhr begann und noch einige Vorbereitungen getroffen werden mussten.Es war einer der schönsten Momente seit ich hier lebe und in der Himmelfahrtkirche arbeite.

Im Dunkeln der Kirche begannen wir und nach ein paar Ostergesängen entzündeten wir die Osterkerze.
In einer kleinen Prozession, bei der ich und Nika auch Kerzen tragend vorne mitlaufen durften, zogen wir zum Garten des Archäologischen Institutes bei uns auf dem Gelände.
Dort feierten wir die Auferstehung Jesu während es langsam immer heller wurde.

Auch der 10.30 Uhr Gottesdienst in der Erlöserkirche, bei dem auch der Chor wieder sang, war sehr schön.


Ostern in Jerusalem ist wirklich spannend, gerade weil man mit den vielen anderen Konfessionen in Kontakt kommt und vielen Gläubigen aus aller Welt begegnet.
Und nicht nur Ostern wurde in dieser Woche gefeiert, sondern auch das Pessach Fest der Juden.
Ihr seht also, in Jerusalem ist immer was los!

Herzliche Grüße, Hanna

Bericht No. 2

Hier kommt mein zweiter offizieller Zwischenbericht an meine Unterstützer und Unterstützerinnen.

Jerusalem, März 2014

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

liebe Freunde und Bekannte,

schon drei Monate ist es her, dass ich meinen ersten Bericht geschrieben habe.
Doch die Zeit vergeht so schnell wie drei Stunden Zug fahren mit einem guten Buch.
Und schon ist es März und über die Hälfte meines Jahres ist vorbei.

Diesmal möchte ich darüber schreiben, wer ich hier bin. Hier, in dieser berühmt berüchtigten Heiligen Stadt erlebe ich oft Dinge, die mich spüren lassen, dass ich anders bin, als die Menschen, die hier leben und trotzdem auch anders als die Touristen, die sich durch die Altstadt drängen.

Denn:
Ich lebe hier …

Es ist Montagabend. Ich komme gerade vom Sport und habe noch nichts gegessen.
Da passt es mir gut, dass der Falafelstand meines Vertrauens geöffnet ist und ich stelle mich an.
Vor mir sind zwei Frauen. Inzwischen kann ich Touristen recht schnell ihrer Nationalität zuordnen. Es sind bestimmt Deutsche. Sie bestellen drei Falafel und fangen an ihr Geld zu zählen.
„Wie viel will er jetzt?“ – „Ich hab’s nicht genau verstanden.“ Sie haben nicht mehr genug Schekel und versuchen dem Verkäufer auch Euro in die Hand zu drücken, doch er nimmt sie nicht an.
„Er möchte Ihre Euros nicht“, sage ich zu ihnen. Sie drehen sich verwundert um.
„Sie sprechen ja Deutsch!“ – „Wir haben aber nur noch 10 Schekel!“
Ich gebe ihnen die paar Schekel, die ihnen noch fehlen. Sie freuen sich und die erste Frau möchte mir 2€ dafür geben.
„Nein, danke“, sage ich. „Ich brauche die nicht. Ich lebe hier.“
„Wirklich?“ Die beiden sind sehr interessiert und stellen mir ein paar Fragen zu meiner Arbeit und zu meinem Leben in Jerusalem.
Als ich zum Bus gehe, beiße ich in meine Falafel und muss schmunzeln. Was für eine schöne Begegnung. Ja, ich brauche keine Euros, denn ich lebe hier.

… und fühle mich trotzdem oft fremd.

Ich stehe in unserem Obst- und Gemüseladen an der Ecke und kaufe Erdbeeren.
Inzwischen bin ich geübt im Smalltalk auf Arabisch und schwätze ein bisschen mit dem Verkäufer, der mich gut kennt und sich jedes Mal freut, wenn ich zu ihm in den Laden komme.
Plötzlich fällt mir eine Frucht auf, die ich in den letzten Tagen schon öfter in den Märkten der Stadt gesehen hat. Sie ist etwa walnussgroß, leuchtend grün und flauschig wie ein Pfirsich.
„Was ist das?“ frage ich den Verkäufer auf Arabisch. Er sagt ein Wort, das ich nicht kenne. Ich schaue fragend. Er deutet auf die geraspelten Mandeln. Ich verstehe immer noch nicht.
Er nimmt eine und beißt rein, ohne sie zu schälen oder irgendwas.
Ich muss wohl sehr verwirrt schauen, denn er lacht und mit ihm alle Anderen im Laden. Also gibt er mir eine und fordert mich auf, sie zu essen. Ganz vorsichtig nehme ich sie in den Mund. Alle schauen mich an.
Es fühlt sich an wie ein kleiner Pfirsich. Ich beiße zu, es ist weder weich noch hart. Säuerlich, dann süßlich. Nicht gerade wie eine Mandel, aber sehr interessant.
„Quaies!“, rufe ich. – „Gut!“
Alle lachen und ich stimme leise mit ein. Huch, wo bin ich denn hier gelandet?

Ich bin Christin …

Dezember, der Advent springt von Sonntag zu Sonntag. Den drei Tage andauernden Schneesturm haben wir mit Hilfe von Heizkörpern und viel Tee überlebt.
Plötzlich ist es Weihnachten. Das erste Mal nach 18 Jahren, dass ich Weihnachten ohne meine Familie und nicht im behüteten Zuhause feiere. Und das auch noch im Heiligen Land.
In Jerusalem teilt man die Menschen nach Religion ein, Judentum, Islam und Christentum. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit folgt meistens direkt nach der Frage nach dem Namen. Wobei man mit der Zeit auch aufgrund der äußeren Erscheinung einschätzen kann, ob das Gegenüber in eine Kirche, eine Moschee oder in eine Synagoge geht. Da diese Stadt von Religion so geprägt ist, ist es für die Menschen, die hier leben, wichtig, alle Feiertage im Auge zu behalten.
Die jüdischen Feiertage sind nur so durchgerauscht: Sukkot, Jom Kippur, Rosh Hashanah, Chanukka und Purim. Auf muslimischer Seite habe ich vor allem das Opferfest mitbekommen. Am Damaskustor und in der Altstadt kaufen die muslimischen Frauen Süßigkeiten und kleine Geschenke für ihre Kinder.
Einzig allein der Februar war feiertagsfrei von drei Religionen.
Jetzt ist also Weihnachten. Doch Weihnachten in Israel und Palästina ist nicht wie Weihnachten in Deutschland. Ein paar christliche Geschäfte haben dekoriert und vereinzelt kann man Nikoläuse aus Schokolade kaufen. Ansonsten läuft die Stadt in ihrem alltäglichen Ablauf weiter, ungestört von einem der wichtigsten Feiertage der Christen.
Es ist der Morgen des Heiligabends. Ich möchte vom Ölberg runterfahren um mich mit Freunden zu treffen. Wir wollen zum internationalen Gottesdienst in Bethlehem.
Ich habe es eilig, stehe an der Straße und warte auf einen Bus oder ein anderes Gefährt, das mich mitnimmt.
Ein Kleinbus hält an, ich steige ein und zahle 5 Schekel. Ein unausgesprchener, allgemein bekannter Preis. Der Fahrer hört Musik aus dem Koran, er ist Muslim.
Nach einem Blick auf mich durch den Rückspiegel, sagt er „Merry Christmas“ – Frohe Weihnachten.
Ich freue mich darüber. Die Christen sind in der arabischen Welt eine Minderheit und sind nicht besonders angesehen in der Gesellschaft.
Ein kleiner Schritt auf dem Weg zu gegenseitigem Verständnis, zum Frieden.

… insbesondere: ich bin evangelisch.

Im Januar feierten wir die Gebetswoche zur Einheit der Christen. Eine Woche lang gab es jeden Abend in einer Kirche der verschiedenen Konfessionen einen kleinen Gottesdienst.
Es war eine gute Gelegenheit, die verschiedenen Konfessionen im Christentum kennen zu lernen.
Ich war bei einem armenischen Gottesdienst.
Ein Mann in einem schwarzen Gewand deutet mit der einen Hand auf einen Vorhang, der vor einer Tür hängt und mit der anderen legt er seinen Zeigefinger auf die Lippen.
Ich trete ein. Ein dunkler Raum eröffnet sich mir. Sitzplätze gibt es nur an den Wänden, die anderen Besucherinnen und Besucher stehen oder sitzen. Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt.
Überall hängen Öllampen wie in jeder orthodoxen Kirche. Es riecht nach Weihrauch und Ölen. Es werden Kerzen und eine Übersicht des Ablaufes ausgeteilt. Ich versuche vergeblich eine Liturgie zu erkennen, die mir bekannt ist.
Armenische Geistliche in schwarzen Gewändern, teilweise mit Kaputze, lesen Texte und beten. Ich verstehe nichts, aber es der Klang des Armenischen ist interessant und ich versuche der Übersicht zu folgen. Die Kerzen werden angezündet und jede und jeder gibt seine Flamme weiter. Ein Männerchor singt. Keine Frau ist am Gottesdienst beteiligt.
Am Ende sind die Oberhäupter der anderen Konfessionen dazu eingeladen, zusammen zu segnen.
Ich bin beeindruckt von der Atmosphäre und gleichzeitig fühle ich mich total fremd..
Das gehört also auch zum Christentum.

Den evangelischen Gottesdienst feiern wir, die deutsche Gemeinde, gemeinsam mit der arabischen. amerikanischen und dänischen in der Erlöserkiche.
Ich darf die Fürbitte auf Deutsch sprechen. Am Mikrofon stehend schaue ich in die Kirche. In der ersten Reihe sitzen orthodoxe Patriachen und Priester. Auch katholische Mönche, Nonnen und Pastoren sind anwesend. Hinter mir stehen evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer.
Der Unterschied der Konfessionen ist so offensichtlich, dass es für mich oft schwer ist, an ein einheitliches Christentum zu denken. Vor allem mit der Verehrung der heiligen Orte, wie der Ort der Kreuzigung in der Grabeskirche oder der Geburt Jesu in Bethlehem, kann ich oft wenig anfangen.
Auch die Tatsache, dass bei uns auch Frauen Pfarrerinnen werden können, ist sehr charakteristisch für die evangelische Kirche.
Unsere Pfarrerin Ulrike Wohlrab ist oft die einzige Frau bei Treffen der verschiedenen Kirchen. Angehörige anderer Konfessionen verstehen das oft nicht. Einmal hat sie mir von folgendem Gespräch erzählt:
“Und dürfen Sie auch Gottesdienste halten?“ – „Ja, selbstverständlich.“ – „Auch verheiraten?“ – „ Ja.“ – „Dürfen Sie auch taufen?“ – „Ja, das auch.“ – „Aber doch sicherlich nur Frauen!?“

Ich bin eine junge Frau.

So stark wie hier war mir das in Deutschland nie bewusst. Im palästinenschen Viertel fällt man immer auf, weil man kein Kopftuch trägt oder einen anderen Kleidungsstil hat. Und in einem ähneln sich Israelis und Palästinenser wie Geschwister: Die Männer sind sehr direkt.

Ich bringe ein kleines Paket auf die Post, ein Freund von mir in Deutschland heiratet.
Der Beamte am Schalter wiegt ab und erklärt mir, wie lange es dauert, jenachdem wie viel ich bezahle. Ich wäge ab.
„Ist es für deinen Freund in Deutschland?“ fragt der Postbeamte auf Englisch.
Selbst nach über einem halben Jahr überrascht mich soviel Distanzlosigkeit noch.
„Nein“, antworte ich und erkläre ihm, dass ein Freund von mir heiratet.
Ohne zu zögern fragt er: „Und was ist mit dir?“ – „Ich bin noch nicht verheiratet“, antworte ich schmunzelnd.
„Gut so!“ sagt er. „Du bist jung! Lass dir Zeit!“
Ich bedanke mich für diese Lebensweisheit und denke wieder einmal, dass mir sowas in Deutschland nie passiert wäre.

Ich komme aus Deutschland …

„Is it possible to see the church?“ fragt mich ein Besucher auf Englisch vor unserer Kirche. Ich höre an seinem Akzent, dass er Deutscher ist.
„Ja, hier ist der Eingang“, erkläre ich deshalb auf Deutsch.
Er schaut mich mit großen Augen an.
„Wo haben Sie denn so gut Deutsch gelernt?“ fragt er ich verwundert.
„Ich bin Deutsche und arbeite hier als Volontärin“, antworte ich und lache ein wenig in mich hinein.
Die meisten deutschen Besucherinnen und Besucher freuen sich, wenn sie unsere kleine deutsche Insel auf dem Ölberg betreten. Die Schilder und Flyer sind deutsch, es gibt deutschen Käsekuchen im Café zu essen und Veranstaltungen auf Deutsch.
Auch wenn ich vor meiner Zeit hier die Befürchtung hatte, in der israelischen Kultur im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte irgendwie anders behandelt zu werden, kann ich eindeutig sagen, dass dies überhaupt nicht der Fall ist. Im Gegenteil, Deutschland durch die Politik ist ein sehr beliebtes Land, sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite.

… und damit bin ich politisch neutral.

 Meine Eltern und mein Bruder sind zu Besuch und wir fahren nach Bethlehem, ins Westjordanland.
Durch den Bau der israelischen Sperranlage bzw. die Mauer, die es für Palästinenser der Westbank fast unmöglich macht, Israel zu betreten, ist auch der Tourismus in Bethlehem stark zurückgegangen. Die Straße, die vom Checkpoint 300 nach Bethlehem führt, war früher eine sehr belebte Straße, die Jerusalem mit Bethlehem verband. Früher standen dort Geschäfte und Hotels, heute haben mussten viele Palästinenser schließen, weil die Touristen ausblieben, die ihre Haupteinnahmequelle war.
Wir nehmen ein Taxi von der Innenstadt zum Checkpoint.
Ich spreche ein wenig Arabisch mit dem Fahrer, also fragt er mich, wo ich das gelernt habe.
„Ich lebe in Jerusalem auf dem Ölberg und meine Familie ist gerade zu Besuch“, erkläre ich ihm.
Er ist sehr interessiert und fängt auch an, über die politische Situation zu reden.
„Weißt du, es ist sehr wichtig, dass die Menschen hierher nach Palästina kommen und sehen, wie wir hier leben und dass es nicht gefährlich ist! Wenn Internationale kommen und die Besatzung der Israelis sehen, können sie was verbessern. Du als Deutsche musst den anderen Ausländern sagen, dass es sicher ist und dass sie kommen sollen.“
Er appelliert an meinen neutralen Status als Internationale.

Ich lebe in einem Konfliktgebiet …

Der Nahostkonflikt ist für mich so gut wie an jedem Tag spürbar. Was ich vor allem wahrnehme ist die Besatzungssituation der Palästinenser. Männer, die trotz Studium im Ausland, Taxi fahren müssen, weil sonst das Geld nicht reicht. Familien, die durch die Sperranlage oder Mauer getrennt wurden und ein Wiedersehen mit äußerst viel Aufwand verbunden ist.
Die Lage ist kompliziert für alle Beteiligten, vor allem wenn man nicht im Land lebt und jetzt ins Detail zu gehen ist mir – ehrlich gesagt – eine zu große Herausforderung. Falls konkrete Fragen bestehen antworte ich aber gerne auf jede E-Mail!

… und finde trotzdem meine kleinen Zeichen des Friedens.

 Gerade heute habe ich etwas tolles erlebt.
Ich habe in der Kirche gearbeitet, den Shop betreut und den Eintritt der BesucherInnen kassiert.
Auf einmal tritt Amazia mit seiner Frau Jean und einer weiteren Freundin ein. Er ist ein Freund von mir, den ich im Kibbutz Ein Hashofet kennengelernt habe, den wir im November einmal besucht haben. Seitdem kommt er immer bei uns vorbei, wenn er gerade in Jerusalem ist. Er ist ein israelischer Jude, seine Frau ist auch jüdisch und kommt aus Amerika.
Heute hat mir seine Frau Jean Blumen aus dem Kibbutz mitgebracht.
Amazia erzählt mir: „Ich habe sie gefragt, was sie mit den Blumen macht, wenn du nicht da bist.“
Sie führt lächelnd fort: „Ich hätte sie draußen jemandem gegeben, der einen Freund im Krankenhaus besucht.“
Die Menschen im Krankenhaus sind Palästinenser.

Diese Momente bereichern meine Hoffnung, dass in diesem Land irgendwann einmal Frieden herrschen wird. Wenn Menschen die Kluft zwischen sich überbrücken und sich gegenseitig respektieren, dann wächst der Frieden.

Ich hoffe, ich habe einen kleinen Eindruck von meinen Erlebnissen schaffen können und damit wünsche ich allen frohe Ostern und einen schönen Frühling.
Auch hier wird es langsam immer wärmer, man fängt an in seinen langen Hosen, die man in Ostjerusalem tragen sollte, zu schwitzen. Überall blüht es und es ist länger hell abends.
Bald kommt ist Ostern, das wird besonders spannend, da nicht nur das Ostern der Westkirche (evangelisch und katholisch) und das Ostern der orthodoxen Kirchen aufeinanderfällt, sondern in dieser Zeit auch der jüdische Feiertag Pessach ist.

Salam und Shalom,

Hanna

Freie Tage

Urlaub
zum ersten Mal seit einem halben Jahr.

Meine Eltern waren zu Besuch und wir haben – nach Jerusalem – eine Tour durch das Land gemacht.
Ich lasse einfach die Bilder sprechen.

Bethlehem

IMG_5565

 

Jericho

IMG_5606 IMG_5687

Hisham Palast in Jericho

IMG_5675

 

Qumran und totes Meer

IMG_5720 IMG_5729 IMG_5733 IMG_5761

 

Ein Gedi National Park

IMG_5801 IMG_5810 IMG_5824 IMG_5846 IMG_5870 IMG_5877 IMG_5887 IMG_5892

 

Masada

IMG_5913 IMG_5915 IMG_5938 IMG_5939

Durch die Wüste…
IMG_5968

… nach Eilat
IMG_5986 IMG_5975

Timna National Park
IMG_6008 IMG_6045 IMG_6064

Von Eilat entlang an der ägyptischen Grenze…
IMG_6078

… nach Mitzpe Ramon
IMG_6150

und Avdat, eine alte Nabatäer Stadt
IMG_6096 IMG_6106 IMG_6093 IMG_6147

Von dort aus sind wir weiter in den Norden gefahren, nach Haifa
IMG_6321

und haben dort einen Ausflug nach Akko gemacht.
IMG_6173 IMG_6181 IMG_6199 IMG_6228 IMG_6237 IMG_6282

Außerdem sind wir über Zippori
IMG_6326

an den See Genezareth gefahren
IMG_6444 IMG_6422

und waren in Tabgha und Capernaum.
IMG_6417 IMG_6432

Wir waren 8 Tage lang unterwegs. Man sieht also, Israel/Palästina ist kein wirklich großes Land.
Ich hoffe, ihr habt jetzt alle Lust bekommen einen Flug nach Tel Aviv zu buchen. ;)

Außerdem war ich letzte Woche auf unserem Zwischenseminar in Haifa. Es war eine wirklich schöne Zeit dort, ich habe viel nachgedacht über die Zeit, die vergangen ist und die Zeit, die mir jetzt noch bleibt und sehr nette Menschen kennen gelernt.
Fast 7 Monate bin ich jetzt schon hier. Das heißt, es bleibt weniger Zeit als bereits vergangen ist – komisches Gefühl.

Und damit komme ich auch zum Schluss.
Bald wird es den 2. offiziellen Bericht für meine UnterstützerInnen geben.

Herzliche Grüße aus dem schön warmen Jerusalem
Hanna

Spring – האביב – ربيع

Der Frühling kommt.
(Engl.: Spring)
(Arab.: Rubia’a)
(Hebr.: Aviv)

Die Temperaturen steigen, es ist länger hell und überall fängt es an zu blühen.
Bald ist ein halbes Jahr vergangen seit ich in Frankfurt am Main in das Flugzeug stieg, was mich hierher brachte.
Dieses Halbzeitgefühl hat ganz verschiedene Facetten.
Einerseits denke ich: Huch! Jetzt bleiben dir nur noch 6 Monate um noch viel zu sehen und zu erleben! Und dann verlasse ich auch viele Menschen, die ich sehr schätze und die mein Leben hier sehr bereichern.
Andererseits kommt auch ein wenig Erleichterung, weil eben nicht immer alles total super ist und weil sich hier auch oft Probleme auftun, man nie wirklich komplett sorgenfrei ist. Bald bin ich also wieder „Zuhause“, im einfachen Deutschland. Ich kann dann anfangen zu studieren und sehe auch viele Freunde wieder.

Übermorgen kommen meine Eltern und mein Bruder und nächste Woche habe ich dann mal richtig Urlaub und werde mir viele Teile des Landes ansehen, die ich bisher noch nicht gesehen habe.
Darauf freue ich mich schon sehr!

In all diesen gemischten Gefühlen versuche ich aber trotzdem den Frühling zu genießen.
Vor 10 Tagen haben wir zum Beispiel einen Ausflug in den National Park Bet Guvrin gemacht.
Es gibt dort verschiedene archäologische Erforschungen und Ausgrabungen.
Columbarien (Taubenschläge), die über 2.000 Jahre alt sind, die Sidonischen Grabhöhlen, in denen man durch Restaurierung die alten Malereien sieht und die großen Glockenhöhlen (Bell Caves), die eine wahnsinnige Akustik haben und aus ganz unterschiedlichen Gesteinsschichten sind.
Es war ein wunderbarer Tag (danke an alle, die dabei waren!).

Gestern habe ich zusammen mit einer guten Freundin einen wunderschönen Sonntagsspaziergang durch das Jerusalemer Viertel Yemin Moshe gemacht.
Das Viertel ist absolut empfehlenswert anzuschauen und erinnert ein bisschen an die Toskana.
Vor allem jetzt toll, da dort alles blüht.

So. Das war’s auch mal wieder.
Im April wird es dann meinen nächsten offiziellen Zwischenbericht geben, der dann auch etwas ausführlicher wird.

Fragen und Anregungen sind immer herzlich Willkommen!
Eure Hanna

Politisch korrekt

Der Nah-Ost-Konflikt

ist hier Thema Nummer 1.
Obwohl mir klar ist, dass ich darüber viel öfter schreiben sollte, drücke ich mich immer ein bisschen davor, weil es so ein schwieriger Themenkomplex ist.
Aber es ist auch wichtig, nicht nur von den schönen Abenteuer und Erlebnisse zu berichten, sondern auch was ich hier bezüglich des Israel-Palästina-Konflikts erlebe.
Wenn man hier lebt und sich mit anderen Hierlebenden über die poltische Situation unterhält, benutzt man Begriffe, von denen jeder weiß, was man meint und man sich damit einigermaßen „politisch korrekt“ ausdrückt.
Wenn man dann allerdings Touristen oder Freunden aus Deutschland von der Lage erzählt, wird mir oft klar, dass diese mir so geläufigen Begriffe meistens ganz anders verstanden werden.
Vor allem in der Terminologie zu „Wo ist eigentlich Israel und wo ist eigentlich Palästina?“ fällt mir auf, dass viele das gar nicht verstehen.
Das ist gar kein Vorwurf! Als ich noch in Deutschland war, habe ich das auch nicht richtig wahrgenommen.
Aber deshalb werde ich versuchen, das jetzt mal ganz vereinfacht zu erklären. (Expertin bin ich schließlich auch keine. Hier ein Verweis auf den Blog einer guten Freundin: http://www.dreiecksbeziehung.net)

Das Wort Palästina bezeichnet im Grunde genommen 3 Gebiete:
– der Gaza-Streifen
– Ost-Jerusalem
– die Westbank innerhalb der Grünen Linie. Eigentlich gehört Ost-Jerusalem auch zur Westbank, aber dennoch unterscheide ich dazwischen, weil Ost-Jerusalem-Palästina andere Rechte haben als Palästinenser, die hinter der Mauer wohnen.

Das bedeutet, dass Jerusalem in zwei Teile getrennt ist. Ost-Jerusalem ist palästinensisch, hier wohne und arbeite ich.
West-Jerusalem ist israelisch/jüdisch. Auch die Altstadt ist in bestimmte Viertel unterteilt.

Die Westbank und Israel trennt eine 8 Meter hohe Mauer. (Siehe auch)
Diese macht es unmöglich für Palästinenser mit einer Westbank-ID (grüne ID) ohne ein Permit (also eine Erlaubnis des Staates Israel) auf „die andere Seite“ zu kommen. Ost-Jerusalem-Palästinenser mit Jerusalem-ID (blaue ID) hingegen können sich auch innerhalb Israels bewegen und in die Westbank und auch wieder hinaus.
Außerdem gibt es noch die sog. Israeli Arabs, die in Dörfern oder in Städten, wie z.B. Nazareth leben und eigentlich israelische Staatsbürger sind.
Man sieht also jetzt schon: es ist nicht gerade einfach. Zum Glück hat man hier Zeit und Menschen, die einem anfangs alles erklären.

Was die ganze Situation noch komplizierter macht, ist die Aufteilung innerhalb der Westbank
Sie ist unterteilt in A-, B- und C-Gebiete.
A-Gebiete unterliegen der palästinensischen Authorität, B-Gebiete sind gemischt und C-Gebiete sind unter israelischer Authorität.
Israelis ist es verboten, in die A-Gebiete zu gehen. An den Straßen, die dorthin führen, stehen große rote Schilder mit einem Hinweis, dass es gegen das israelische Gesetz ist und dass es eine Sicherheitsgefahr für israelische Staatsbürger darstellt. Meiner Erfahrung nach braucht man aber überhaupt keine Angst haben. Ich war schon oft in A-Gebieten und es ist nicht gefährlich.
Daneben gibt es noch die immer mehr werdenden israelischen Siedlungen, die palästinensischen Land besiedeln und darauf bauen, vor allem aus ideologischen Gründen.

Trotz dieser Aufteilung leben die Palästinenser unter israelischer Besatzung und haben somit mit vielen Nachteilen und Einschränkungen zu leben.
Heute war ich auf einer Führung von „Breaking the Silence“ in Hebron. In Israel muss jeder Mann 3 Jahre und jede Frau 2 Jahre Wehrdienst in der Armee leisten. Bei „Breaking the Silence“ berichten ehemalige Soldaten von ihren Erlebnissen und über die Situation in den besetzen Gebieten.
Es war sehr interessant, aber auch sehr schlimm und ergreifend. Das Gute bei diesen Führungen ist die Neutralität mit der berichtet wird, denn es geht dabei vor allem um die Aufklärung von Tatsachen.

In Hebron ist die Situation sehr extrem. Dort gibt es mehrere große Siedlungen, in denen vor allem radikale Siedler leben.
Die Stadt ist zur Geisterstadt geworden. In der Innenstadt sind die Bewohner geflohen und die palästinensischen Geschäfte wurden geschlossen.
Es gibt sehr oft (gewalttätige) Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Palästinensern. Deshalb ist die israelische Militärpresenz dort auch immens.
In Hebron leben etwa 800 Siedler und es sind etwa 500 Soldaten dort stationiert.
Bei vielen palästinensischen Häusern sind Gitter vor den Fenstern, damit die Steine, die von den Siedlern geworfen werden, nicht die Fenster einbrechen.
Auf manchen Straßen dürfen Palästinenser weder Geschäfte eröffnen noch sich per Auto oder zu Fuß fortbewegen. Deshalb wurden bei einigen palästinensischen Häusern die Eingangstüren zugeschweißt, sodass die BewohnerInnen eingesperrt waren und sich irgendwie anders (über’s Dach oder mit einer Hintertür) einen Ausgang verschaffen mussten.
Es gibt noch unzählige andere Beispiele, wie die extrem hohe Arbeitslosigkeit dort und die oft unterbrochene und extrem teure Wasserversorgung.
Für mehr Informationen empfehle ich auch EAPPI und Youth Against Settlemnts.

Gerade wenn man im palästinensischen Gebiet lebt, ist es unheimlich schwierig, neutral zu bleiben.
Deshalb möchte ich auch auf gar keinen Fall mich auf einer der beiden Seiten in Bezug auf den Nah-Ost-Konflikt stellen, sondern nur die Menschenrechtsverletzungen zeigen, die ich sehe und erzählt bekomme.

Zum Abschluss noch etwas schönes.
Letztes Wochenende war ich mit einer Freundin in Yafo. Das liegt direkt bei Tel Aviv und ist früher osmanisch gewesen und heute noch arabisch geprägt.
Dort waren wir in einem wunderschönen Hostel inmitten des täglichen Flohmarkts dort.

Ich hoffe, dass ich mit meinem Eintrag manchen etwas Klarheit verschaffen konnte.
Für Fragen gerne die Kommentarfunktion nutzen oder mir eine E-Mail schreiben.

Herzliche Grüße, Hanna.

Jerusalem im Abendlicht

Einer meiner alltäglichen Wege ist auch der vom Ölberg runter in die Altstadt zur Erlöserkirche, die andere deutsche evangelische Kirche in Jerusalem.
Normalerweise treffe ich dort jemanden oder habe irgendeinen Termin und bin deshalb immer total abgehetzt. Man gewöhnt sich auch den schnellen Altstadt-Gang an, bei dem man jede Lücke zwischen den Menschen zu finden versucht und sich immer an allen vorbeidrückt um möglichst schnell voran zu kommen.
Je nach Feiertag und Tageszeit sind auch immer unterschiedlich viele Menschen dort zu Gange.

Heute hatte ich mal etwas mehr Zeit und nehme ich euch jetzt einmal mit von oben nach unten.

Wenn man aus unserem Compound herauskommt blickt man auf ein großes Fussballfeld, was einem Schild nach zu Folge auch dem Lutherischen Weltbund gehört.
Von dort aus hat man eine wunderbare Sicht über Jerusalem.

IMG_5852 IMG_5853
Das ist aus dem Bus heruas fotografiert. Der Turm dahinten ist der Turm der Himmelfahrtkirche.

IMG_5857

An der Stadtmauer entlang zum Damaskus Tor.

IMG_5836 IMG_5837 IMG_5862

Das Paulushaus, ein Pilgerhaus. Dahinter liegt die Schmidt-Schule, eine deutsch-palästinensische Mädchenschule.
IMG_5865

Ein israelischer und ein palästinensischer Bus hintereinander.
Der eine fährt zum Mount Scopus und der andere zum Mount of Olives (= Ölberg).

IMG_5864

Glatt gelaufene Steine, der Boden der Altstadt.
IMG_5868

Vor dem Damaskustor.
IMG_5866 IMG_5869 IMG_5870 IMG_5872

Erdbeeren! Im Januar!
IMG_5874 IMG_5873

Durch das Damaskus Tor, ab in den arabischen, muslimischen Suq.
IMG_5876

Der Ascharah-Laden. Ascharah bedeutet 10 auf Arabisch, dort kann man alles für 10 NIS kaufen (= 2€).
Ein Lautsprecher sagt dir Produkte im laufenden Band durch, deshalb lernt man diese Zahl sehr schnell, wenn man häufig dort unterwegs ist.
IMG_5877

Eine grün beleuchtete Minarette.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das Foto gemacht habe, hat auch der Muezzin gerufen.
IMG_5879

Auf der Straße sieht man wenige palästinensische Frauen arbeiten.
Solche Kräuterverkäuferinnen sind meistens die einzigen, die man sieht.
IMG_5880

Die bekannte Weggabelung. Links geht es Richtung Western Wall und Tempelberg, rechts Richtung Erlöserkirche und Grabeskirche.
IMG_5881

Ein paar Geschäfte im Suq. Fleisch, Oliven, lange Mäntel für Muslimas und Prinzessinenkleidchen, alles nebeneinander.
IMG_5885 IMG_5883 IMG_5886IMG_5884

Ein typischer Gewürzladen im Suq. Überteuert und eigentlich auch nur für Touristen.
Tipp für hier Lebende: Lieber Gewürze auf dem Mahane Yehuda kaufen; billiger und mehr Auswahl.
IMG_5888 IMG_5887

Auf dem Weg zur Erlöserkirche kommt man auch an der 7. Station der Via Dolorosa vorbei.
Das ist ein Weg in der Altstadt, der dem Leidensweg Jesu nachempfunden ist. Hier trifft man sehr viele Pilgergruppen, freitags auch mal Menschen, die sich ein Kreuz bei „Rent a Cross“ gemietet haben.
IMG_5889 IMG_5890

Beim Orange Handy Shop biege ich nach rechts ab.
Der Wagen ist einer der Müllwägen, die gegen Abend versuchen die Altstadt einigermaßen sauber zu machen.
IMG_5892

Endlich an der Erlöserkirche und dem Suq davor angekommen.
Mein persönlicher Rekord vom Damaskus Tor zur Erlöserkirche liegt bei 4 Minuten.
IMG_5898 IMG_5901 IMG_5897 IMG_5896 IMG_5895

So hoffentlich konnte euch das einen kleinen Eindruck verschaffen!

Herzliche Grüße, Hanna.