Zoo, Familie und weihnachtliche Stimmung

Jetzt ist es schon Ende November.
Das bedeutet, ich bin bald schon seit 3 Monaten hier.

Vorgestern fragte mich eine befreundete Freiwillige, was ich hier am meisten vermisse. Ich musste eigentlich nicht lange überlegen und meinte zu ihr: „Meine Familie. Denn egal, wie gut du dich mit den Menschen in deinem Umfeld verstehst und wie toll deine Freunde sind, die Vertrautheit der Familie kann man nie imitieren.“
Und gerade jetzt, wo bald der Advent anfängt, merkt man dieses Gefühl noch viel intensiver, denn die Weihnachtszeit war für mich immer Zeit mit der Familie.

Deshalb sauge ich auch alles auf, was für mich so ein bisschen familiäre Atmosphäre hat.Hier auf dem Auguste-Victoria-Compound lebt eine Familie mit 3 Kindern. Sie ist eigentlich Pfarrerin, hier aber nicht fest angestellt, und er arbeitet im Entwicklungshilfe-Ministerium.
Sie kommen oft ins Café und ich kenne sie schon sehr gut. Oft bin ich an meine eigene Kindheit erinnert, wenn ich mit ihnen zu tun habe.

Gestern bin ich dann mit ihr und ihren 3 Jungs (halbes Jahr, 4 Jahre und 7 Jahre) und dem 5jährigen Sohn unserer Pfarrer in den Jerusalemer Zoo gefahren.
Es war ein wirklich schöner Ausflug und ich kann den Zoo nur empfehlen. Er ist natürlich nicht total riesig, aber dafür sehr schön.

Bald beginnt der „Endspurt“ auf Weihnachten. Das bedeutet: unsere Nikolaus-Veranstaltung, der Adventsbasar in der Erlöserkirche, das Päkchen für Zuhause packen, sich Geschenke überlegen, und und und.

Damit wünsche ich allen, einen schönen ersten Advent nächste Woche!

Liebe Grüße aus dem 20°C warmen Jerusalem (wobei man dazu sagen muss, dass es abends auch ganz schön abkühlt, ich werde jetzt auch meine Winterjacke anziehen, wenn ich raus gehe).

Der Berg der Versuchung

Ein schönes Wochenende ist mal wieder vorbei.

Den Sonntag gestern habe ich entspannt angehen lassen; Kindergottesdienst ist inzwischen auch zur Normalität geworden und wir hatten, nachdem die Gemeindepädagogikpraktikantin und ich zwei Wochen in Folge alleine basteln mussten, endlich auch ein paar Kinder da.
Nach unserem, auch schon fast üblichen, Besuch beim „Armenier“ (ein armenisches Restaurant in der Altstadt), kam ich endlich mal wieder dazu, meine Haare nachzutönen. Mit Hilfe der Praktikantin sind meine Haare jetzt wieder dunkelbraun.
Sonntagabends findet außerdem in der Propstei der Erlöserkirche eine Theatergruppe statt. Ich genieße es sehr, dort teilnehmen zu können. Wir machen Atemübungen, Improvisationstheater und arbeiten an Texten aus u.a. „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht. Es macht sehr viel Spaß, auch weil die Gruppe schon zusammengewachsen ist und ich mich mit den Leuten dort sehr gut verstehe.

Heute war ich dann mit meiner Mitfreiwilligen und dem neuen Café-Volontär in Jericho; in der ältesten Stadt der Welt.
Es ist eine wunderschöne, arabische Stadt! Und hat mir persönlich viel besser gefallen als Bethlehem.
Dort gibt es den Berg der Versuchung (Mount of Temptation), an dem der Teufel Jesus in Versuchung gebracht haben soll. 340 n.Chr. wurde auf dem Berg eine Kapelle errichtet, die heutzutage aber schwer zu erreichen ist. Die griechisch-orthodoxe Kirche baute 1895 ein Kloster in den Berg hinein.
Dieses kann man durch eine Seilbahn (österreichischer Herstellung) vom Stadtzentrum Jerichos erreichen, aber wir machten uns die Mühe zur Mittagszeit dort hochzuwandern. Ein anstrengender, aber lohnenswerter Aufstieg.
Das Kloster war sehr orthodox geprägt, wie man es aus manchen Kirchen und hl. Stätten in Jerusalem auch kennt.
Ein wunderbarer Ort.

Leider hatten wir nicht genug Zeit um uns nochmehr in der Stadt anzuschauen, sondern haben dann dort noch etwas gegessen und uns auf den Heimweg gemacht.
Hingefahren sind wir durch den israelischen Bus Richtung Ein Gedi und den Rest getrampt. Auf dem Rückweg sind wir wieder getrampt.
Ich bin so beeindruckt von der Freundlichkeit der Palästinenser, die uns mitgenommen haben.
Folgende Situation ergab sich auf dem letzten Teil der Strecke:

Auto mit israelischem Kennzeichen hält an.
Annahme: Israeli
„Jerusalem? Yerushalaim?“
„Yes, ok.“
Wir steigen ein. Wie üblich: Der Mann vorne, die Frauen hinten.
Es stellt sich heraus, dass er Araber ist.
„You have passports? You are legal here? No weapons?“ (Zur Erklärung: Auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem muss man auch einen Checkpoint überqueren.)

Ein typisches Beispiel dafür, wie alltäglich und präsent dieser Konflikt hier ist.

Er lebt in Jerusalem und hat deshalb eine sog. Jerusalem ID, also so etwas ähnliches wie ein israelischer Pass. Deshalb kann er, im Gegensatz zu den Westbank-PalästinenserInnen auch nach Jerusalem rein, hat uns tatsächlich noch bis vor die Haustür gefahren und sich sehr interessiert mit uns unterhalten
Arabische Menschen und deren Kultur ist, meiner Meinung nach, sehr mit Vorurteilen belegt. Ich finde es sehr gut, hier einmal das Gegenteil zu erfahren und zu merken, dass das auch nur Menschen sind und zudem noch sehr freundliche!

Bis bald, eure Hanna.

Sankt Martin + Sonstiges

Endlich gibt’s mal wieder Neues von mir.

In der letzten Woche hatten wir sehr viel zu tun, weil wir einen Sankt Martinsumzug mit vorherigem Laternenbasteln und Weckmänner backen veranstalteten.
Es gab ein kleines Anspiel mit musikalischer Einlage meiner Mitfreiwilligen und den anschließenden Umzug.
Obwohl es viel Arbeit gemacht hat, war es ein tolles Erlebnis! Es hat mich richtig an meine eigene Kindheit erinnert.
Die Bilder sind von Kolja Rösener, einem anderen Freiwilligen.


Heute morgen haben wir unsere Café-Volontärin verabschiedet. Sie war jetzt für 3 Monate hier und ist uns allen richtig ans Herz gewachsen, sie war auch mit im Kibbuz dabei. Jetzt geht sie wieder zurück nach Deutschland.
Seit über einer Woche ist jetzt auch ihr Nachfolger angekommen, der für ein ganzes Jahr bei uns bleibt und mit dem wir schon gut harmonieren.

Vorletzte Woche hatten wir außerdem eher unerfreulichen Besuch.
Meine Mitfreiwillige (und auch Mitbewohnerin) hatte in unserem Bad eine große Spinne mit haarigen Beinen entdeckt. Wahrscheinlich eine Tarantula (ja, sowas gibt es hier!!!). Sie hat sich dann unter eine Abdeckung, in die wir starkes Insektengift gesprüht haben, verzogen und damit unsere Angst vor ihr nur noch gesteigert.
Erstaunlicherweise haben wir sie seitdem nie wieder gesehen, allerdings habe ich immer noch ein unwohles Gefühl, wenn ich ins Bad gehe und halte mich nie länger als nötig dort auf.

Eine weitere Angelegenheit, die uns hier beschäftigt, ist das Visum.
Es ist außerordentlich schwierig ein Visum für längere Zeit zu bekommen (das Touristenvisum geht 3 Monate). Wahrscheinlich bekommen wir jetzt ein B4-Visum (one entry), das bedeutet, dass wir in dem ganzen Jahr nicht aus Israel ausreisen können.
Da das auch bedeutet, dass wir nicht nach Jordanien können, sind wir alle sehr unglücklich darüber.
Diese ganze Visums-Sache veranschaulicht ganz gut, wie bürokratisch und kompliziert Israel doch ist.

Ansonsten geht es mir ganz gut hier.
Ich habe mich hier sehr gut eingewöhnt. Inzwischen haben wir nicht nur eine israelische, sondern auch eine arabisch „Stammkneipe“, in die wir sehr gerne gehen und in der man uns auch schon kennt.
Das Leben wird in dieser komplizierten Stadt wird immer einfacher.

Mal sehen, was wir so am Wochenende vorhaben. Ich würde gerne nach Jericho und vielleicht noch ans „magische“ Tote Meer gehen.
Liebe Grüße und bis bald, eure Hanna.

Kibbuz

Gestern bin ich zurück gekommen von einem Wochenende im Kibbuz.
Ein Kibbuz ist eine kommunenähnliche Gemeinschaft aus mehreren Gebäuden und Familien, die dort leben. Es ist abgeschottet von der Außenwelt und kann (heutzutage nicht mehr so wie früher) fast autonom leben. In den Anfängen des Zionismus‘ gab es eine große Kibbuzbewegung in Israel (was es sonst nirgendwo auf der Welt gab), die vor allem von sozialistischen Idealen geprägt war.

Wir sind am Sonntagmorgen in das Kibbuz Ein Hashofet gefahren. Das liegt im Norden, in der Nähe von Nazareth und Megiddo.
Es war ein reiner Mädchen-Ausflug, denn unsere Gruppe bestand aus meiner Mitfreiwillige, einer Freiwillige vom Institut, unserer Café-Volontärin und eine 18jährige, deren Familie hier lebt und arbeitet und mir.

Nach 2stündiger Fahrt wurden wir im Kibbuz herzlich von einem älteren Mann empfangen. Er lebt schon seit er klein ist dort und konnte uns viel erzählen.
Das Kibbuz ist ein sehr idyllischer und friedlicher Ort, es leben dort etwa 800 Menschen, also ein richtiges Dorf. Es ist dort längst nicht mehr so sozialistisch, wie man es früher einmal war. Unser Gastgeber hat uns erzählt, dass er Geld das erste Mal mit 12 Jahren gesehen hat.
Jedes Mitglied des Kibbuzes gibt sein Einkommen – unabhängig davon, ob er/sie im Kibbuz arbeitet – an den Kibbuz ab und jede/r bekommt auch die gleiche Menge an Geld zur Verfügung. Wobei natürlich unterschieden wird, wie viele Kinder eine Familie hat, etc.
Die Leitung des Kibbuzes nehmen 3 Verantwortliche. Jede/r hat einen eigenen Bereich: Soziales, Geschäftliches (Gebäude, etc.) und Geldverwaltung.

Es gibt einen großen Essenssaal, in dem es aussieht wie in einer Kantine. Man hatte eine sehr große Auswahl und es war sehr, sehr lecker!
Außerdem gibt es im Kibbuz einen Kindergarten, einen sehr großen Kuhstall, eine Fabrik, einen kleinen Zoo, einen Arzt und einen Zahnarzt, einige kleine Felder, Pferde, einen Shop und ein kleines Museum.
Vor allem der Kuhstall gab mir das Gefühl „Ferien auf dem Bauernhof“ zu machen, was mich auch sehr an Deutschland und meine Kindheit erinnert hat.
Der Kibbuz produziert sehr viel an Milchprodukten selbst: Käse, Joghurt, selbstgemachtes Eis, etc., was alles sehr gut geschmeckt hat.

Ein tolles Erlebnis für mich persönlich war mal wieder Fahrrad zu fahren! Das geht in Jerusalem schlecht und deshalb bin ich – obwohl ich Deutschland täglich Fahrrad gefahren bin – 2 Monate lang nicht auf einem Rad gesessen. Konnte das also richtig genießen.

Wir haben dann von unserem Gastgeber und seiner Frau eine sehr bequeme Unterkunft für die Nacht bekommen und abends auch gemeinsam mit ihnen gegessen, was ich sehr interessant fand. Die beiden waren sehr offen und freundlich uns gegenüber. So viel Gastfreundschaft haut einen echt um!
Später am Abend hat uns unser Gastgeber mit einem der Autos, die Mitglieder des Kibbuzes ausleihen können (also eine Art Carsharing), in den Wald auf einen Aussichtspunkt gefahren.
Um uns herum unendlich viele Lichter und gleichzeitig absolute Dunkelheit.
Plötzlich haben wir ein lautes Heulen vernommen und ich habe es fast schon mit der Angst zu tun bekommen. Aber unser Gastgeber meinte ganz amüsiert, dass das nur Schakale seien, die nach uns riefen.

Am nächsten Morgen konnten wir nach dem Frühstück noch unzählige Mandarinen, Zitronen, Limetten, Pomelos, Orangen, Grapefruit und Blutorangen pflücken und mitnehmen. Ich glaube, wir können uns noch Monate lang davon ernähren.
Danach sind wir zu einem Strand dort in der Nähe gefahren, Nahsholim, der wunderschön und menschenleer war. Ich kann es immer noch kaum fassen, dass ich so nah am Meer wohne!

Alles in allem war es ein wunderbares, erholsames Wochenende und ich konnte von dem ganzen Chaos von Jerusalem mal ein bisschen abschalten.
Was mich auch sehr gefreut hat, war, dass unser Gastgeber erzählte, dass er manchmal kranke Palästinenser aus der Westbank in israelische Krankenhäuser bringt.
Solche kleinen Initiativen sollte es viel mehr geben und sie sollten, meiner Meinung nach, viel öffentlicher gemacht werden, da es kleine Schritte sind, die (vielleicht irgendwann mal) Frieden in diese Region bringen.

Jetzt aber genug geschrieben.

Auf der Arbeit ist gerade sehr viel los. Bald feiern wir St. Martin mit einem großen Umzug.

Ich habe mich hier sehr gut eingelebt inzwischen (es sind jetzt mehr als 9 Wochen). Im Moment kann ich mir gar nicht mehr richtig vorstellen, nach Deutschland zurückzugehen.

Soweit das Neuste von mir!

Liebe Grüße aus dem warmen Jerusalem, Hanna