Politisch korrekt

Der Nah-Ost-Konflikt

ist hier Thema Nummer 1.
Obwohl mir klar ist, dass ich darüber viel öfter schreiben sollte, drücke ich mich immer ein bisschen davor, weil es so ein schwieriger Themenkomplex ist.
Aber es ist auch wichtig, nicht nur von den schönen Abenteuer und Erlebnisse zu berichten, sondern auch was ich hier bezüglich des Israel-Palästina-Konflikts erlebe.
Wenn man hier lebt und sich mit anderen Hierlebenden über die poltische Situation unterhält, benutzt man Begriffe, von denen jeder weiß, was man meint und man sich damit einigermaßen „politisch korrekt“ ausdrückt.
Wenn man dann allerdings Touristen oder Freunden aus Deutschland von der Lage erzählt, wird mir oft klar, dass diese mir so geläufigen Begriffe meistens ganz anders verstanden werden.
Vor allem in der Terminologie zu „Wo ist eigentlich Israel und wo ist eigentlich Palästina?“ fällt mir auf, dass viele das gar nicht verstehen.
Das ist gar kein Vorwurf! Als ich noch in Deutschland war, habe ich das auch nicht richtig wahrgenommen.
Aber deshalb werde ich versuchen, das jetzt mal ganz vereinfacht zu erklären. (Expertin bin ich schließlich auch keine. Hier ein Verweis auf den Blog einer guten Freundin: http://www.dreiecksbeziehung.net)

Das Wort Palästina bezeichnet im Grunde genommen 3 Gebiete:
– der Gaza-Streifen
– Ost-Jerusalem
– die Westbank innerhalb der Grünen Linie. Eigentlich gehört Ost-Jerusalem auch zur Westbank, aber dennoch unterscheide ich dazwischen, weil Ost-Jerusalem-Palästina andere Rechte haben als Palästinenser, die hinter der Mauer wohnen.

Das bedeutet, dass Jerusalem in zwei Teile getrennt ist. Ost-Jerusalem ist palästinensisch, hier wohne und arbeite ich.
West-Jerusalem ist israelisch/jüdisch. Auch die Altstadt ist in bestimmte Viertel unterteilt.

Die Westbank und Israel trennt eine 8 Meter hohe Mauer. (Siehe auch)
Diese macht es unmöglich für Palästinenser mit einer Westbank-ID (grüne ID) ohne ein Permit (also eine Erlaubnis des Staates Israel) auf „die andere Seite“ zu kommen. Ost-Jerusalem-Palästinenser mit Jerusalem-ID (blaue ID) hingegen können sich auch innerhalb Israels bewegen und in die Westbank und auch wieder hinaus.
Außerdem gibt es noch die sog. Israeli Arabs, die in Dörfern oder in Städten, wie z.B. Nazareth leben und eigentlich israelische Staatsbürger sind.
Man sieht also jetzt schon: es ist nicht gerade einfach. Zum Glück hat man hier Zeit und Menschen, die einem anfangs alles erklären.

Was die ganze Situation noch komplizierter macht, ist die Aufteilung innerhalb der Westbank
Sie ist unterteilt in A-, B- und C-Gebiete.
A-Gebiete unterliegen der palästinensischen Authorität, B-Gebiete sind gemischt und C-Gebiete sind unter israelischer Authorität.
Israelis ist es verboten, in die A-Gebiete zu gehen. An den Straßen, die dorthin führen, stehen große rote Schilder mit einem Hinweis, dass es gegen das israelische Gesetz ist und dass es eine Sicherheitsgefahr für israelische Staatsbürger darstellt. Meiner Erfahrung nach braucht man aber überhaupt keine Angst haben. Ich war schon oft in A-Gebieten und es ist nicht gefährlich.
Daneben gibt es noch die immer mehr werdenden israelischen Siedlungen, die palästinensischen Land besiedeln und darauf bauen, vor allem aus ideologischen Gründen.

Trotz dieser Aufteilung leben die Palästinenser unter israelischer Besatzung und haben somit mit vielen Nachteilen und Einschränkungen zu leben.
Heute war ich auf einer Führung von „Breaking the Silence“ in Hebron. In Israel muss jeder Mann 3 Jahre und jede Frau 2 Jahre Wehrdienst in der Armee leisten. Bei „Breaking the Silence“ berichten ehemalige Soldaten von ihren Erlebnissen und über die Situation in den besetzen Gebieten.
Es war sehr interessant, aber auch sehr schlimm und ergreifend. Das Gute bei diesen Führungen ist die Neutralität mit der berichtet wird, denn es geht dabei vor allem um die Aufklärung von Tatsachen.

In Hebron ist die Situation sehr extrem. Dort gibt es mehrere große Siedlungen, in denen vor allem radikale Siedler leben.
Die Stadt ist zur Geisterstadt geworden. In der Innenstadt sind die Bewohner geflohen und die palästinensischen Geschäfte wurden geschlossen.
Es gibt sehr oft (gewalttätige) Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Palästinensern. Deshalb ist die israelische Militärpresenz dort auch immens.
In Hebron leben etwa 800 Siedler und es sind etwa 500 Soldaten dort stationiert.
Bei vielen palästinensischen Häusern sind Gitter vor den Fenstern, damit die Steine, die von den Siedlern geworfen werden, nicht die Fenster einbrechen.
Auf manchen Straßen dürfen Palästinenser weder Geschäfte eröffnen noch sich per Auto oder zu Fuß fortbewegen. Deshalb wurden bei einigen palästinensischen Häusern die Eingangstüren zugeschweißt, sodass die BewohnerInnen eingesperrt waren und sich irgendwie anders (über’s Dach oder mit einer Hintertür) einen Ausgang verschaffen mussten.
Es gibt noch unzählige andere Beispiele, wie die extrem hohe Arbeitslosigkeit dort und die oft unterbrochene und extrem teure Wasserversorgung.
Für mehr Informationen empfehle ich auch EAPPI und Youth Against Settlemnts.

Gerade wenn man im palästinensischen Gebiet lebt, ist es unheimlich schwierig, neutral zu bleiben.
Deshalb möchte ich auch auf gar keinen Fall mich auf einer der beiden Seiten in Bezug auf den Nah-Ost-Konflikt stellen, sondern nur die Menschenrechtsverletzungen zeigen, die ich sehe und erzählt bekomme.

Zum Abschluss noch etwas schönes.
Letztes Wochenende war ich mit einer Freundin in Yafo. Das liegt direkt bei Tel Aviv und ist früher osmanisch gewesen und heute noch arabisch geprägt.
Dort waren wir in einem wunderschönen Hostel inmitten des täglichen Flohmarkts dort.

Ich hoffe, dass ich mit meinem Eintrag manchen etwas Klarheit verschaffen konnte.
Für Fragen gerne die Kommentarfunktion nutzen oder mir eine E-Mail schreiben.

Herzliche Grüße, Hanna.

Jerusalem im Abendlicht

Einer meiner alltäglichen Wege ist auch der vom Ölberg runter in die Altstadt zur Erlöserkirche, die andere deutsche evangelische Kirche in Jerusalem.
Normalerweise treffe ich dort jemanden oder habe irgendeinen Termin und bin deshalb immer total abgehetzt. Man gewöhnt sich auch den schnellen Altstadt-Gang an, bei dem man jede Lücke zwischen den Menschen zu finden versucht und sich immer an allen vorbeidrückt um möglichst schnell voran zu kommen.
Je nach Feiertag und Tageszeit sind auch immer unterschiedlich viele Menschen dort zu Gange.

Heute hatte ich mal etwas mehr Zeit und nehme ich euch jetzt einmal mit von oben nach unten.

Wenn man aus unserem Compound herauskommt blickt man auf ein großes Fussballfeld, was einem Schild nach zu Folge auch dem Lutherischen Weltbund gehört.
Von dort aus hat man eine wunderbare Sicht über Jerusalem.

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Das ist aus dem Bus heruas fotografiert. Der Turm dahinten ist der Turm der Himmelfahrtkirche.

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An der Stadtmauer entlang zum Damaskus Tor.

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Das Paulushaus, ein Pilgerhaus. Dahinter liegt die Schmidt-Schule, eine deutsch-palästinensische Mädchenschule.
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Ein israelischer und ein palästinensischer Bus hintereinander.
Der eine fährt zum Mount Scopus und der andere zum Mount of Olives (= Ölberg).

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Glatt gelaufene Steine, der Boden der Altstadt.
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Vor dem Damaskustor.
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Erdbeeren! Im Januar!
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Durch das Damaskus Tor, ab in den arabischen, muslimischen Suq.
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Der Ascharah-Laden. Ascharah bedeutet 10 auf Arabisch, dort kann man alles für 10 NIS kaufen (= 2€).
Ein Lautsprecher sagt dir Produkte im laufenden Band durch, deshalb lernt man diese Zahl sehr schnell, wenn man häufig dort unterwegs ist.
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Eine grün beleuchtete Minarette.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das Foto gemacht habe, hat auch der Muezzin gerufen.
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Auf der Straße sieht man wenige palästinensische Frauen arbeiten.
Solche Kräuterverkäuferinnen sind meistens die einzigen, die man sieht.
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Die bekannte Weggabelung. Links geht es Richtung Western Wall und Tempelberg, rechts Richtung Erlöserkirche und Grabeskirche.
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Ein paar Geschäfte im Suq. Fleisch, Oliven, lange Mäntel für Muslimas und Prinzessinenkleidchen, alles nebeneinander.
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Ein typischer Gewürzladen im Suq. Überteuert und eigentlich auch nur für Touristen.
Tipp für hier Lebende: Lieber Gewürze auf dem Mahane Yehuda kaufen; billiger und mehr Auswahl.
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Auf dem Weg zur Erlöserkirche kommt man auch an der 7. Station der Via Dolorosa vorbei.
Das ist ein Weg in der Altstadt, der dem Leidensweg Jesu nachempfunden ist. Hier trifft man sehr viele Pilgergruppen, freitags auch mal Menschen, die sich ein Kreuz bei „Rent a Cross“ gemietet haben.
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Beim Orange Handy Shop biege ich nach rechts ab.
Der Wagen ist einer der Müllwägen, die gegen Abend versuchen die Altstadt einigermaßen sauber zu machen.
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Endlich an der Erlöserkirche und dem Suq davor angekommen.
Mein persönlicher Rekord vom Damaskus Tor zur Erlöserkirche liegt bei 4 Minuten.
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So hoffentlich konnte euch das einen kleinen Eindruck verschaffen!

Herzliche Grüße, Hanna.

Wenn 2.941,52 km irgendwann egal sind.

Ein guter Freund und Mitfreiwilliger von mir hat mich gestern darauf angesprochen, dass ich ja schon länger nichts mehr geschrieben habe.
Das stimmt und es hat auch einen ganz einfachen Grund: Ich fühle mich inzwischen hier so zu Hause, dass mir oft gar nichts mehr auffällt, worüber ich schreiben könnte und was von Deutschland aus interessant sein könnte.

Der Alltag ist recht schnell gekommen, im Rückblick würde ich sagen, nach etwa 3 Wochen.
Und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich nach 2 Monaten gesagt habe: Das fühlt sich alles schon so sehr nach Zuhause an.
Dennoch wird es mit jeder Woche und jedem Monat immer stärker. Inzwischen ist es kaum vorstellbar, wie es ist in Deutschland zu leben.
Diese Entfernung zu Karlsruhe, zur Familie, zu den Freunden ist irgendwann einfach egal, weil ich mich hier so wohl fühle.
Was dazu beiträgt ist natürlich, dass ich inzwischen hier unglaublich gute Freunde und Freundinnen gefunden habe.

Mit drei guten Freunden war ich Ende des Jahres – vor Silvester – in Eilat, am Roten Meer.
Es hat sehr gut getan mal aus Jerusalem rauszukommen!
Eilat ist eine beeindruckende Stadt. Irgendwie erinnert es ein bisschen an eine amerikanische Stadt, überall sieht man große Logos von Marken und viele große Hotels, nachts leuchten überall Lichter.
Gleichzeitig hat man im Hintergrund immer die jordanischen Berge.

Silvester habe ich in der Propstei mit vielen, tollen Menschen verbracht.
Trotzdem ist Silvester in Jerusalem eigentlich nicht sehr spektakulär, da das eigentlich nicht gefeiert hat.
Jede Religion hat ihren eigenen Kalender und damit ihren eigenen Jahresbeginn.
Ein bisschen Feuerwerk konnten wir aber von den Dächern der Altstadt trotzdem sehen.

Habibi ist das arabische Wort für Schatz, Liebling oder Freund und wird hier hochfrequenziert gebraucht.
Nach 4 Monaten kennen mich auch viele Einheimische.
Gestern war ich mit einer Freundin in Bethlehem, einkaufen. Und ein guter Tuchhändler (zu empfehlen für die hier Lebenden: Barakat Stores in der Nähe der Geburtskirche) erkannte mich wieder, nachdem wir im Oktober einmal dort waren und hat uns einen guten Preis gemacht.
Er hat sich sehr gefreut, dass ich da war und wusste noch, dass ich in Jerusalem wohne.

Als ein befreundeter Freiwilliger vom Archäologischen Institut und ich gestern Abend vom Damaskus Tor nach Hause auf den Ölberg fahren wollten, hielt plötzlich ein Auto nehmen uns an.
Wir drehten uns zu Seite, um zu fragen, wie viel der Fahrer möchte, um uns auf den Ölberg zu bringen.
Doch der Fahrer sagte nur: Don’t ask! Twenty Shekel as usual.
Es war ein arabischer Arzt, dessen Namen ist leider vergessen habe, der uns schön oft mitgenommen hat. Es ist so ein schönes Gefühl, zu wissen, dass einen die Leute hier kennen!

Neulich ist auch etwas ganz tolles passiert. Ich habe bei unserem Obst- und Gemüseladen hier im Viertel eingekauft.
Natürlich kenne ich den Verkäufer auch und ich probiere immer meine wenigen Arabisch-Vokabeln an ihm aus.
Als ich mich das letzte Mal von ihm verabschiedet hat, sagt er plötzlich: Ma’asalam, Sadieka!
Ich schaue fragend, verstehe nicht, was das heißt. Ein anderer Mann, der Englisch kann, sagt: Sadieka means friend.
Im Nachhinein habe ich rausbekommen, dass Sadieka viel mehr bedeutet als Habibi. Das ist wirklich etwas ganz besonderes.

Jetzt wünsche ich noch nachträglich ein Frohes Neues Jahr an alle!
Und herzliche Grüße von der sonnenbestrahlten Terrasse des Cafés aus,
eure Hanna.