Wenn 2.941,52 km irgendwann egal sind.

Ein guter Freund und Mitfreiwilliger von mir hat mich gestern darauf angesprochen, dass ich ja schon länger nichts mehr geschrieben habe.
Das stimmt und es hat auch einen ganz einfachen Grund: Ich fühle mich inzwischen hier so zu Hause, dass mir oft gar nichts mehr auffällt, worüber ich schreiben könnte und was von Deutschland aus interessant sein könnte.

Der Alltag ist recht schnell gekommen, im Rückblick würde ich sagen, nach etwa 3 Wochen.
Und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich nach 2 Monaten gesagt habe: Das fühlt sich alles schon so sehr nach Zuhause an.
Dennoch wird es mit jeder Woche und jedem Monat immer stärker. Inzwischen ist es kaum vorstellbar, wie es ist in Deutschland zu leben.
Diese Entfernung zu Karlsruhe, zur Familie, zu den Freunden ist irgendwann einfach egal, weil ich mich hier so wohl fühle.
Was dazu beiträgt ist natürlich, dass ich inzwischen hier unglaublich gute Freunde und Freundinnen gefunden habe.

Mit drei guten Freunden war ich Ende des Jahres – vor Silvester – in Eilat, am Roten Meer.
Es hat sehr gut getan mal aus Jerusalem rauszukommen!
Eilat ist eine beeindruckende Stadt. Irgendwie erinnert es ein bisschen an eine amerikanische Stadt, überall sieht man große Logos von Marken und viele große Hotels, nachts leuchten überall Lichter.
Gleichzeitig hat man im Hintergrund immer die jordanischen Berge.

Silvester habe ich in der Propstei mit vielen, tollen Menschen verbracht.
Trotzdem ist Silvester in Jerusalem eigentlich nicht sehr spektakulär, da das eigentlich nicht gefeiert hat.
Jede Religion hat ihren eigenen Kalender und damit ihren eigenen Jahresbeginn.
Ein bisschen Feuerwerk konnten wir aber von den Dächern der Altstadt trotzdem sehen.

Habibi ist das arabische Wort für Schatz, Liebling oder Freund und wird hier hochfrequenziert gebraucht.
Nach 4 Monaten kennen mich auch viele Einheimische.
Gestern war ich mit einer Freundin in Bethlehem, einkaufen. Und ein guter Tuchhändler (zu empfehlen für die hier Lebenden: Barakat Stores in der Nähe der Geburtskirche) erkannte mich wieder, nachdem wir im Oktober einmal dort waren und hat uns einen guten Preis gemacht.
Er hat sich sehr gefreut, dass ich da war und wusste noch, dass ich in Jerusalem wohne.

Als ein befreundeter Freiwilliger vom Archäologischen Institut und ich gestern Abend vom Damaskus Tor nach Hause auf den Ölberg fahren wollten, hielt plötzlich ein Auto nehmen uns an.
Wir drehten uns zu Seite, um zu fragen, wie viel der Fahrer möchte, um uns auf den Ölberg zu bringen.
Doch der Fahrer sagte nur: Don’t ask! Twenty Shekel as usual.
Es war ein arabischer Arzt, dessen Namen ist leider vergessen habe, der uns schön oft mitgenommen hat. Es ist so ein schönes Gefühl, zu wissen, dass einen die Leute hier kennen!

Neulich ist auch etwas ganz tolles passiert. Ich habe bei unserem Obst- und Gemüseladen hier im Viertel eingekauft.
Natürlich kenne ich den Verkäufer auch und ich probiere immer meine wenigen Arabisch-Vokabeln an ihm aus.
Als ich mich das letzte Mal von ihm verabschiedet hat, sagt er plötzlich: Ma’asalam, Sadieka!
Ich schaue fragend, verstehe nicht, was das heißt. Ein anderer Mann, der Englisch kann, sagt: Sadieka means friend.
Im Nachhinein habe ich rausbekommen, dass Sadieka viel mehr bedeutet als Habibi. Das ist wirklich etwas ganz besonderes.

Jetzt wünsche ich noch nachträglich ein Frohes Neues Jahr an alle!
Und herzliche Grüße von der sonnenbestrahlten Terrasse des Cafés aus,
eure Hanna.

Heiligabend

„In einem Jahr bin ich gerade vielleicht in Bethlehem“, habe ich am 24.12.2012 zu meiner Mutter gesagt.
Damals wusste ich erst seit ein paar Tagen, dass ich für ein Jahr nach Jerusalem gehe.
„Stimmt“, sagt sie. „In einem Jahr.“

Jetzt ist das Jahr vorbei und ich war am Heiligen Abend nicht nur in Jerusalem, sondern auch in Bethlehem.

Der Weihnachtsstress fiel aus, aber dafür natürlich auch das gemeinsame Feiern mit der Familie. Es war das erste Mal nach 18 Jahren, dass ich ohne meine Eltern, meine Brüder und außerhalb Deutschlands Weihnachten verbracht habe.

Mittags sind wir mit dem Propst und seiner Familie nach Bethlehem in den internationalen Gottesdienst gefahren.
Es war sehr interessant, einen Gottesdienst zu erleben, der auf Englisch, Arabisch und Deutsch statt fand und es waren Leute aus allen möglichen Ländern der Welt dabei. Trotz allem war die Stimmung nicht allzu besinnlich, was vielleicht auch daran lag, dass ich natürlich nicht alles verstehen konnte und der Gottesdienst durch die vielen Menschen recht unruhig war.

Bitte stellt euch dieses Jahr Bethlehem nicht wie ein total romantisches Dörfchen vor, sondern lieber so:
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Ein schönes Essen gab es natürlich auch, was vom Lutherischen Gästehaus in der Altstadt ausgerichtet wurde.
Inzwischen habe ich hier wirklich gute Freunde gefunden und viele, nette Menschen kennengelernt. Deshalb war es etwas ganz besonderes mit ihnen zu feiern.

Abends, um 22.30 Uhr, war der Weihnachtsgottesdienst in der Erlöserkirche.
Ich habe im Kirchengemeindechor mitgesungen und deshalb alles von der Empore beobachtet.
Es war so eine schöne Stimmung, weil es anfangs ganz dunkel war und dann überall Kerzen angezündet wurden.
(Leider habe ich kein Bild gemacht, aber vielleicht bekomme ich ja noch welche.)
In der Tat war es einer der schönsten Gottesdienste an Heilig Abend, den ich je erlebt habe.

Um Mitternacht bin ich mit vielen, vielen anderen Volontären und Nicht-Volontären nach Bethlehem gewandert; eine unglaubliche Erfahrung!
Weihnachtslieder singen am Checkpoint, an der Mauer entlang laufen und in der Geburtskirche den Ort sehen, an dem historisch bestätigt die Krippe gestanden haben soll.
In Bethlehem war alles voller Lichter, mal mehr, mal weniger kitschig.

Die Bilder sind von Nils Beckmann, einem befreundeten Volontär.

Ich wünsche allen noch gesegnete Feiertage.

Herzliche Grüße aus der Heiligen Stadt, Hanna.

Ausnahmezustand: Schnee

Ich lebe noch und ja, in Jerusalem hat es geschneit.
So sehr, dass die komplette Stadt lahm gelegt ist.
Und jetzt kommt die Sonne raus und es taut.

Äste brechen ab, Bäume stürzen um, Läden bleiben geschlossen, überall steht Wasser, Strom fällt aus, … um nur ein paar Auswirkungen aufzuzählen.
Es ist eine absolute Sensation, so viel Schnee lag hier seit 60 Jahren nicht mehr. Die Stadt und das Land sind auf so etwas Überdimensionales überhaupt nicht eingestellt.

Der Schnee schmilzt jetzt so sehr, dass das Wasser bis in unsere Kirche hineinfließt.
Bei den Versuchen das zu verhindern und das Wasser wieder rauszuschöpfen haben uns 4 junge Palästinenser geholfen. Sie haben erzählt, dass sie eigentlich aus der Westbank kommen und gar kein Permit (also eine Erlaubnis nach Israel zu kommen) haben, aber heute seien sie „über die Mauer gesprungen“. Ich weiß nicht ganz, ob das gestimmt hat, aber irgendwie müssen sie ja hierher gekommen sein.
Der eine konnte sogar ziemlich gut Deutsch.
Es war mal wieder eine Begegnung besonderer Art, die ich hier öfter erlebe.

Die Bilder hat meine Mitfreiwillige Nika gemacht und sind von heute Morgen.
Wir konnten es uns nicht nehmen lassen währrend es noch sehr gestürmt hat, auf unseren Turm zu steigen.

Diese Bilder habe ich vorhin gemacht.
Unser ganzer Garten ist zerstört, viele Äste sind abgebrochen und ganze Bäume umgestürzt. Ich komme mir ein bisschen vor wie bei einer Naturkatastrophe, was es ja auch irgendwie ist.

Jetzt sehe ich, dass es schon wieder angefangen hat zu schneien. Ein neuer Schneesturm kommt.
Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Tage, vor allem weil am Montag der Rat der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) kommt und eigentlich noch viel zu tun wäre.

Herzliche Grüße aus dem verschneiten Jerusalem, Hanna.

Spagat der Kulturen

Vom einen Tag auf den anderen ist hier der Winter angebrochen. Das bedeutet 10°C und Regen. Leider sind hier die Gebäude nicht so darauf ausgerichtet und deswegen zieht es durch alle Türen und Fenster.
In den letzten Tagen habe ich ganz viele schöne Dinge erlebt.
Am letzten Freitag haben wir Nikolaus gefeiert! Nika und ich haben – in Dialogform – die Geschichte des Bischofs Nikolaus aus Myra erzählt und anschließend kamen zwei andere Volontäre, als Knecht Ruprecht und Nikolaus verkleidet, und haben Geschenke an die Kinder verteilt.
Es hat viel Spaß gemacht und es war toll, die aufgeregten Augen der Kinder zu sehen, wenn sie ihr Geschenk bekommen haben.

Am Samstagabend war dann der tatsächliche Spagat der Kulturen.Zuerst waren wir auf einem Konzert von Brass for Peace in der Talitha Kumi Schule in Beit Jala (Palästina). Zwei Volontäre unterstützen die Organisation Brass for Peace indem sie den palästinensischen Kindern und Jugendlichen Unterricht in Blechblasinstrumenten geben.
Sie haben u.a. viele deutsche Weihnachtslieder gespielt und es war richtig schön, ihnen zuzuhören.
Leider habe ich keine Bilder gemacht, aber vielleicht stelle ich noch ein paar hoch.

Danach hat die Frau des Propstes uns mit zu einem Klezmer-Konzert mitgenommen. Das findet jeden Shabbes-Abend in einem kleinen Keller in Jerusalem statt und war ein echtes Erlebnis!
Ultraorthodoxe mit Schläfenlocken, Zizit und Anzügen, die Musik und Unterhaltung bieten. Zwar durfte man als Frau den ultrarthodoxen Juden nicht die Hand geben, aber sie waren dennoch sehr freundlich zu uns und haben sich mit uns unterhalten.
Wer sich näher informieren will, die Gruppe heißt Klezmer Yung Yiddish (Youtube!).
Schon lange habe ich nicht mehr so gelacht wie an diesem Abend. Jetzt sehe ich auch diese Kultur wieder von einer ganz anderen Perspektive.

Jetzt noch etwas sehr Berührendes.
Die zwei Deutschen, die bei dem Anschlag in Sanaa, Jemen, umgekommen sind, waren Mitarbeiter der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), welche auch hier in Ramallah (Westbank) und Gaza ihre Stellen hat. Durch die Gemeinde kenne ich auch viele MitarbeiterInnen.
Gerade, wenn ich von solchen Ereignissen erfahre, wird mir bewusst, dass ich doch nicht in einer normalen Region lebe.
Dennoch fühle ich mich hier nicht bedroht oder gefährdet. Ich kann hier absolut normal leben mit sehr wenigen Einschränkungen.

Übrigens mache ich für Familie und Freunde einen Foto-Adventskalender (jeden Tag ein Foto aus meinem Leben hier per Mail). Wer gerne in meinen Verteiler möchte, kann mir einfach eine E-Mail schreiben: hanna@home-kreplin.de

Herzliche Grüße,
Hanna

Advent, Advent

… ein Lichtlein brennt.

Die letzten Tage habe ich sehr adventlich (und oft bei 23°C) verbracht.

Donnerstag
Adventskranz für die Kirche binden.
Jetzt wurde das riesige Ding in der Kirche aufgehängt und „schwebt“ so über den Köpfen der BesucherInnen.

Freitag
Plätzchen backen bis in den späten Abend hinein: Vanille- und Orangenkipferl, Walnussmakronen, Ausgestochene, Engelsaugen.
Diese wurden dann in Säckchen am

Samstag
beim Adventsbazaar in der Erlöserkirche auf unserem Stand verkauft.
Bei Glühwein, Kuchen, Adventskränzen, Nikolaus und Schokolade kam auch richtig Weihnachtsstimmung auf und ich habe viele Freunde und Bekannte dort getroffen.

Sonntag
1. Adventsgottesdienst mit Taufe von Elias, dem 1/2jährigen Sohn der hier wohnenden Familie (mit der ich auch im Zoo war).
Beim Kindergottesdienst, den wir nach der Taufe gemacht haben, waren so viele Kinder wie noch nie.

Es ist sehr fremd für mich, bei guten (warmen) Wetter und in einer Stadt, in der drei verschiedene Religionen ansässig sind, sich auf Weihnachten vorzubereiten.
Mir zeigt es, wie weit man wirklich von zu Hause weg ist und dass man trotz allen Deutschen hier nicht richtig in die Weihnachtsstimmung reinkommt.
Wie wird Weihnachten wohl alleine – ohne die Familie – in einem fremden Land?

Liebe Grüße, Hanna

Zoo, Familie und weihnachtliche Stimmung

Jetzt ist es schon Ende November.
Das bedeutet, ich bin bald schon seit 3 Monaten hier.

Vorgestern fragte mich eine befreundete Freiwillige, was ich hier am meisten vermisse. Ich musste eigentlich nicht lange überlegen und meinte zu ihr: „Meine Familie. Denn egal, wie gut du dich mit den Menschen in deinem Umfeld verstehst und wie toll deine Freunde sind, die Vertrautheit der Familie kann man nie imitieren.“
Und gerade jetzt, wo bald der Advent anfängt, merkt man dieses Gefühl noch viel intensiver, denn die Weihnachtszeit war für mich immer Zeit mit der Familie.

Deshalb sauge ich auch alles auf, was für mich so ein bisschen familiäre Atmosphäre hat.Hier auf dem Auguste-Victoria-Compound lebt eine Familie mit 3 Kindern. Sie ist eigentlich Pfarrerin, hier aber nicht fest angestellt, und er arbeitet im Entwicklungshilfe-Ministerium.
Sie kommen oft ins Café und ich kenne sie schon sehr gut. Oft bin ich an meine eigene Kindheit erinnert, wenn ich mit ihnen zu tun habe.

Gestern bin ich dann mit ihr und ihren 3 Jungs (halbes Jahr, 4 Jahre und 7 Jahre) und dem 5jährigen Sohn unserer Pfarrer in den Jerusalemer Zoo gefahren.
Es war ein wirklich schöner Ausflug und ich kann den Zoo nur empfehlen. Er ist natürlich nicht total riesig, aber dafür sehr schön.

Bald beginnt der „Endspurt“ auf Weihnachten. Das bedeutet: unsere Nikolaus-Veranstaltung, der Adventsbasar in der Erlöserkirche, das Päkchen für Zuhause packen, sich Geschenke überlegen, und und und.

Damit wünsche ich allen, einen schönen ersten Advent nächste Woche!

Liebe Grüße aus dem 20°C warmen Jerusalem (wobei man dazu sagen muss, dass es abends auch ganz schön abkühlt, ich werde jetzt auch meine Winterjacke anziehen, wenn ich raus gehe).

Der Berg der Versuchung

Ein schönes Wochenende ist mal wieder vorbei.

Den Sonntag gestern habe ich entspannt angehen lassen; Kindergottesdienst ist inzwischen auch zur Normalität geworden und wir hatten, nachdem die Gemeindepädagogikpraktikantin und ich zwei Wochen in Folge alleine basteln mussten, endlich auch ein paar Kinder da.
Nach unserem, auch schon fast üblichen, Besuch beim „Armenier“ (ein armenisches Restaurant in der Altstadt), kam ich endlich mal wieder dazu, meine Haare nachzutönen. Mit Hilfe der Praktikantin sind meine Haare jetzt wieder dunkelbraun.
Sonntagabends findet außerdem in der Propstei der Erlöserkirche eine Theatergruppe statt. Ich genieße es sehr, dort teilnehmen zu können. Wir machen Atemübungen, Improvisationstheater und arbeiten an Texten aus u.a. „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht. Es macht sehr viel Spaß, auch weil die Gruppe schon zusammengewachsen ist und ich mich mit den Leuten dort sehr gut verstehe.

Heute war ich dann mit meiner Mitfreiwilligen und dem neuen Café-Volontär in Jericho; in der ältesten Stadt der Welt.
Es ist eine wunderschöne, arabische Stadt! Und hat mir persönlich viel besser gefallen als Bethlehem.
Dort gibt es den Berg der Versuchung (Mount of Temptation), an dem der Teufel Jesus in Versuchung gebracht haben soll. 340 n.Chr. wurde auf dem Berg eine Kapelle errichtet, die heutzutage aber schwer zu erreichen ist. Die griechisch-orthodoxe Kirche baute 1895 ein Kloster in den Berg hinein.
Dieses kann man durch eine Seilbahn (österreichischer Herstellung) vom Stadtzentrum Jerichos erreichen, aber wir machten uns die Mühe zur Mittagszeit dort hochzuwandern. Ein anstrengender, aber lohnenswerter Aufstieg.
Das Kloster war sehr orthodox geprägt, wie man es aus manchen Kirchen und hl. Stätten in Jerusalem auch kennt.
Ein wunderbarer Ort.

Leider hatten wir nicht genug Zeit um uns nochmehr in der Stadt anzuschauen, sondern haben dann dort noch etwas gegessen und uns auf den Heimweg gemacht.
Hingefahren sind wir durch den israelischen Bus Richtung Ein Gedi und den Rest getrampt. Auf dem Rückweg sind wir wieder getrampt.
Ich bin so beeindruckt von der Freundlichkeit der Palästinenser, die uns mitgenommen haben.
Folgende Situation ergab sich auf dem letzten Teil der Strecke:

Auto mit israelischem Kennzeichen hält an.
Annahme: Israeli
„Jerusalem? Yerushalaim?“
„Yes, ok.“
Wir steigen ein. Wie üblich: Der Mann vorne, die Frauen hinten.
Es stellt sich heraus, dass er Araber ist.
„You have passports? You are legal here? No weapons?“ (Zur Erklärung: Auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem muss man auch einen Checkpoint überqueren.)

Ein typisches Beispiel dafür, wie alltäglich und präsent dieser Konflikt hier ist.

Er lebt in Jerusalem und hat deshalb eine sog. Jerusalem ID, also so etwas ähnliches wie ein israelischer Pass. Deshalb kann er, im Gegensatz zu den Westbank-PalästinenserInnen auch nach Jerusalem rein, hat uns tatsächlich noch bis vor die Haustür gefahren und sich sehr interessiert mit uns unterhalten
Arabische Menschen und deren Kultur ist, meiner Meinung nach, sehr mit Vorurteilen belegt. Ich finde es sehr gut, hier einmal das Gegenteil zu erfahren und zu merken, dass das auch nur Menschen sind und zudem noch sehr freundliche!

Bis bald, eure Hanna.

Sankt Martin + Sonstiges

Endlich gibt’s mal wieder Neues von mir.

In der letzten Woche hatten wir sehr viel zu tun, weil wir einen Sankt Martinsumzug mit vorherigem Laternenbasteln und Weckmänner backen veranstalteten.
Es gab ein kleines Anspiel mit musikalischer Einlage meiner Mitfreiwilligen und den anschließenden Umzug.
Obwohl es viel Arbeit gemacht hat, war es ein tolles Erlebnis! Es hat mich richtig an meine eigene Kindheit erinnert.
Die Bilder sind von Kolja Rösener, einem anderen Freiwilligen.


Heute morgen haben wir unsere Café-Volontärin verabschiedet. Sie war jetzt für 3 Monate hier und ist uns allen richtig ans Herz gewachsen, sie war auch mit im Kibbuz dabei. Jetzt geht sie wieder zurück nach Deutschland.
Seit über einer Woche ist jetzt auch ihr Nachfolger angekommen, der für ein ganzes Jahr bei uns bleibt und mit dem wir schon gut harmonieren.

Vorletzte Woche hatten wir außerdem eher unerfreulichen Besuch.
Meine Mitfreiwillige (und auch Mitbewohnerin) hatte in unserem Bad eine große Spinne mit haarigen Beinen entdeckt. Wahrscheinlich eine Tarantula (ja, sowas gibt es hier!!!). Sie hat sich dann unter eine Abdeckung, in die wir starkes Insektengift gesprüht haben, verzogen und damit unsere Angst vor ihr nur noch gesteigert.
Erstaunlicherweise haben wir sie seitdem nie wieder gesehen, allerdings habe ich immer noch ein unwohles Gefühl, wenn ich ins Bad gehe und halte mich nie länger als nötig dort auf.

Eine weitere Angelegenheit, die uns hier beschäftigt, ist das Visum.
Es ist außerordentlich schwierig ein Visum für längere Zeit zu bekommen (das Touristenvisum geht 3 Monate). Wahrscheinlich bekommen wir jetzt ein B4-Visum (one entry), das bedeutet, dass wir in dem ganzen Jahr nicht aus Israel ausreisen können.
Da das auch bedeutet, dass wir nicht nach Jordanien können, sind wir alle sehr unglücklich darüber.
Diese ganze Visums-Sache veranschaulicht ganz gut, wie bürokratisch und kompliziert Israel doch ist.

Ansonsten geht es mir ganz gut hier.
Ich habe mich hier sehr gut eingewöhnt. Inzwischen haben wir nicht nur eine israelische, sondern auch eine arabisch „Stammkneipe“, in die wir sehr gerne gehen und in der man uns auch schon kennt.
Das Leben wird in dieser komplizierten Stadt wird immer einfacher.

Mal sehen, was wir so am Wochenende vorhaben. Ich würde gerne nach Jericho und vielleicht noch ans „magische“ Tote Meer gehen.
Liebe Grüße und bis bald, eure Hanna.

Kibbuz

Gestern bin ich zurück gekommen von einem Wochenende im Kibbuz.
Ein Kibbuz ist eine kommunenähnliche Gemeinschaft aus mehreren Gebäuden und Familien, die dort leben. Es ist abgeschottet von der Außenwelt und kann (heutzutage nicht mehr so wie früher) fast autonom leben. In den Anfängen des Zionismus‘ gab es eine große Kibbuzbewegung in Israel (was es sonst nirgendwo auf der Welt gab), die vor allem von sozialistischen Idealen geprägt war.

Wir sind am Sonntagmorgen in das Kibbuz Ein Hashofet gefahren. Das liegt im Norden, in der Nähe von Nazareth und Megiddo.
Es war ein reiner Mädchen-Ausflug, denn unsere Gruppe bestand aus meiner Mitfreiwillige, einer Freiwillige vom Institut, unserer Café-Volontärin und eine 18jährige, deren Familie hier lebt und arbeitet und mir.

Nach 2stündiger Fahrt wurden wir im Kibbuz herzlich von einem älteren Mann empfangen. Er lebt schon seit er klein ist dort und konnte uns viel erzählen.
Das Kibbuz ist ein sehr idyllischer und friedlicher Ort, es leben dort etwa 800 Menschen, also ein richtiges Dorf. Es ist dort längst nicht mehr so sozialistisch, wie man es früher einmal war. Unser Gastgeber hat uns erzählt, dass er Geld das erste Mal mit 12 Jahren gesehen hat.
Jedes Mitglied des Kibbuzes gibt sein Einkommen – unabhängig davon, ob er/sie im Kibbuz arbeitet – an den Kibbuz ab und jede/r bekommt auch die gleiche Menge an Geld zur Verfügung. Wobei natürlich unterschieden wird, wie viele Kinder eine Familie hat, etc.
Die Leitung des Kibbuzes nehmen 3 Verantwortliche. Jede/r hat einen eigenen Bereich: Soziales, Geschäftliches (Gebäude, etc.) und Geldverwaltung.

Es gibt einen großen Essenssaal, in dem es aussieht wie in einer Kantine. Man hatte eine sehr große Auswahl und es war sehr, sehr lecker!
Außerdem gibt es im Kibbuz einen Kindergarten, einen sehr großen Kuhstall, eine Fabrik, einen kleinen Zoo, einen Arzt und einen Zahnarzt, einige kleine Felder, Pferde, einen Shop und ein kleines Museum.
Vor allem der Kuhstall gab mir das Gefühl „Ferien auf dem Bauernhof“ zu machen, was mich auch sehr an Deutschland und meine Kindheit erinnert hat.
Der Kibbuz produziert sehr viel an Milchprodukten selbst: Käse, Joghurt, selbstgemachtes Eis, etc., was alles sehr gut geschmeckt hat.

Ein tolles Erlebnis für mich persönlich war mal wieder Fahrrad zu fahren! Das geht in Jerusalem schlecht und deshalb bin ich – obwohl ich Deutschland täglich Fahrrad gefahren bin – 2 Monate lang nicht auf einem Rad gesessen. Konnte das also richtig genießen.

Wir haben dann von unserem Gastgeber und seiner Frau eine sehr bequeme Unterkunft für die Nacht bekommen und abends auch gemeinsam mit ihnen gegessen, was ich sehr interessant fand. Die beiden waren sehr offen und freundlich uns gegenüber. So viel Gastfreundschaft haut einen echt um!
Später am Abend hat uns unser Gastgeber mit einem der Autos, die Mitglieder des Kibbuzes ausleihen können (also eine Art Carsharing), in den Wald auf einen Aussichtspunkt gefahren.
Um uns herum unendlich viele Lichter und gleichzeitig absolute Dunkelheit.
Plötzlich haben wir ein lautes Heulen vernommen und ich habe es fast schon mit der Angst zu tun bekommen. Aber unser Gastgeber meinte ganz amüsiert, dass das nur Schakale seien, die nach uns riefen.

Am nächsten Morgen konnten wir nach dem Frühstück noch unzählige Mandarinen, Zitronen, Limetten, Pomelos, Orangen, Grapefruit und Blutorangen pflücken und mitnehmen. Ich glaube, wir können uns noch Monate lang davon ernähren.
Danach sind wir zu einem Strand dort in der Nähe gefahren, Nahsholim, der wunderschön und menschenleer war. Ich kann es immer noch kaum fassen, dass ich so nah am Meer wohne!

Alles in allem war es ein wunderbares, erholsames Wochenende und ich konnte von dem ganzen Chaos von Jerusalem mal ein bisschen abschalten.
Was mich auch sehr gefreut hat, war, dass unser Gastgeber erzählte, dass er manchmal kranke Palästinenser aus der Westbank in israelische Krankenhäuser bringt.
Solche kleinen Initiativen sollte es viel mehr geben und sie sollten, meiner Meinung nach, viel öffentlicher gemacht werden, da es kleine Schritte sind, die (vielleicht irgendwann mal) Frieden in diese Region bringen.

Jetzt aber genug geschrieben.

Auf der Arbeit ist gerade sehr viel los. Bald feiern wir St. Martin mit einem großen Umzug.

Ich habe mich hier sehr gut eingelebt inzwischen (es sind jetzt mehr als 9 Wochen). Im Moment kann ich mir gar nicht mehr richtig vorstellen, nach Deutschland zurückzugehen.

Soweit das Neuste von mir!

Liebe Grüße aus dem warmen Jerusalem, Hanna